Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 27. Sitzung / Seite 169

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Nach monatelangem Hin und Her und nach großen Schwierigkeiten und Streitereien ist es mir gelungen, das Hörgerät bewilligt zu bekommen. Dieses hat 19 000 S gekostet, und ich hätte es anfangs selbst bezahlen müssen. Was die Operation gekostet hätte, weiß ich nicht.

Ich habe es natürlich verweigert, mein Hörgerät selbst zu bezahlen, und zwar mit folgendem Argument: Wenn ich kein Hörgerät habe, dann kann ich nicht arbeiten. In drei Monaten hatte sich durch die Zahlung der Krankenkasse das Hörgerät amortisiert. Ich konnte weiterarbeiten. – Damit habe ich die Finanzierung des Hörgerätes sichergestellt, mit dem Erfolg, daß ich seit zehn Jahren gut höre und in den zehn Jahren einen Aufwand gegenüber der Gebietskrankenkasse von 19 000 S verursacht habe. Hätte ich mich darauf eingelassen, mich weitere vier Mal operieren zu lassen, würde ich heute hier wahrscheinlich einen Gebärdendolmetsch brauchen, und wohin die Kosten gerasselt wären, kann ich nicht abschätzen. Bei 19 000 S wäre es sicher nicht geblieben.

Ich habe dieses Beispiel deshalb erwähnt, weil ich die Erfahrung gemacht habe, daß als erste Möglichkeit bei Auftreten einer Krankheit – zumindest im Behindertenbereich, da kann ich es gut abschätzen – sofort einmal mit einer Operation gedroht wird. Ob diese etwas bringt oder nicht, welche Alternative es gäbe oder ob es keine gibt, dazu wird nichts gesagt. Wichtig ist, zu operieren. Ich glaube, auch in diesem Bereich – diese Erfahrung haben auch viele meiner behinderten Freundinnen und Freunde gemacht – hätte man den behinderten Menschen sehr viel an Ängsten, Schmerzen und Leid ersparen können, die Krankenkassen hätten sich unter Umständen sehr viel an finanziellen Aufwendungen erspart, wenn es nicht immer als erstes gleich "operieren" hieße.

Aber nach der Operation kommt meistens noch ein Kuraufenthalt. Es ist in sehr vielen Fällen so, daß jemand, der operiert wurde – ich spreche wieder vom Behindertenbereich –, in ein Rehab-Zentrum geschickt wird, wo man nichts mit ihm anfangen kann, wo man auf Behinderte nicht eingestellt ist. Mir selbst ist das schon passiert. Ich wurde mit Osteopsathyrose in ein Rehab-Zentrum zur Behandlung des rheumatischen Formenkreises geschickt, mit dem Ergebnis, daß ich dort drei Wochen abgesessen habe, zweimal kollabiert bin vor lauter Hitze, weil ich das nicht aushalte, was Leute brauchen, die rheumatische Beschwerden haben – und nach diesen drei Wochen bin ich wieder nach Hause gefahren.

Ich habe nie danach gefragt, was es gekostet hat. Aber es hat zumindest einen positiven Effekt für die Krankenkassen gehabt: Ich werde sicher nie wieder um eine Kur ansuchen. Das ist also damit gelungen. Ich bin von Kuren und Krankenhäusern in weiten Bereichen ehrlich geheilt.

Wer auf Kur ist, bekommt meist hinterher noch irgendeinen Heilbehelf. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Der Feurstein muß den Minister schon wieder ablenken! Lassen Sie doch den Herrn Minister zuhören!) Und welchen man bekommt, ist abhängig davon, mit welchem Bandagisten beziehungsweise mit welcher Firma das Rehab-Zentrum einen Vertrag hat. Zum Beispiel wird im Weißen Hof in Klosterneuburg querschnittgelähmten Menschen eine ganz bestimmte Marke von Rollstühlen angeboten. In Bad Häring ist es eine völlig andere Marke, und im Rehab-Zentrum Tobelbad in der Steiermark gibt es wieder eine andere Marke. Ich habe einmal gefragt, warum das so ist. Ich bin immer davon ausgegangen, daß jeder Betroffene nach den optimalsten Bedingungen mit orthopädischen und anderen Heilbehelfen versorgt werden sollte. – Ich bin eines Besseren belehrt worden. Es geht nicht darum, womit man am besten versorgt ist, sondern welches Kontingent das Rehab-Zentrum dem Händler sowieso abnehmen muß. Ich habe selber Telefongespräche mitgehört, als ich in der Reparaturwerkstätte auf meinen Rollstuhl gewartet habe, wo es geheißen hat: Nein, dem Berger müssen wir die Marke Sowieso verkaufen, denn davon müssen wir heuer noch 20 hinausbringen. – Das ist die Realität! (Abg. Dr. Haider: Sehr gut, Frau Kollegin, sehr gut!)

Daß der Rollstuhl der Firma XY unter Umständen niemals der Behinderung des einzelnen angepaßt werden kann, das versteht, glaube ich, bereits ein Laie. Wenn heutzutage noch jemand davon ausgeht, daß ein Rollstuhl als einzige Funktion hat, daß man sich auf vier Rädern fortbewegen kann, so ist das ein Irrtum. Denn eines ist klar, Herr Sozialminister: Ein falsch verordnetes Hilfsmittel oder ein falsch verordneter Heilbehelf reduziert oder stabilisiert nicht


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