Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 30. Sitzung / Seite 46

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geistigen Tradition, die fatal ist und die zu Recht vom Europäischen Parlament gerügt und getadelt worden ist. (Abg. Dr. Graf: Sie bezeichnen sich als liberal?! – Abg. Mag. Stadler: Das ist ein Nazi-Verharmloser! – Weitere heftige Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) – Meine Damen und Herren! Ich denke, Sie wissen ganz genau, in welche Richtung Sie gehen.

Zurück zum Fremdenrecht. Meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! Wer hier wohnt, braucht auch ein Einkommen, um existieren zu können. Es gibt zirka 700 000 bis 750 000 Ausländer, von denen derzeit 270 000 beschäftigt sind. Die offizielle Beschäftigungsquote unter den Ausländern ist also wesentlich niedriger als unter den Österreichern – wesentlich niedriger! Ursache dafür ist neben dem Aufenthaltsgesetz ein Ausländerbeschäftigungsgesetz, das eine Knute, eine Peitsche für die Ausländer und die Ursache dafür darstellt, daß sie sich auf dem Arbeitsmarkt faktisch um jeden Preis verdingen müssen.

Denn wenn man nicht vom Ausländerbeschäftigungsgesetz oder vom Aufenthaltsgesetz erfaßt wird, wenn man nicht die Bestimmungen des Aufenthalts- und Ausländerbeschäftigungsgesetzes erfüllt, dann bleibt für viele hier in diesem Land und für viele, die schon seit Jahrzehnten in diesem Land leben, nur mehr die Illegalität. Das ist ein Resultat der Politik der freiheitlichen Partei, meine Damen und Herren! Aber dafür tragen auch die Regierungsparteien Verantwortung.

Sie haben es noch immer nicht geschafft, meine Damen und Herren – das richte ich vor allem an die Adresse der wenigen hier anwesenden Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes –, den ausländischen Beschäftigten die gleichen Rechte, die gleichen politischen Rechte am Arbeitsplatz wie den Inländern einzuräumen. Sie haben es noch immer nicht geschafft, im Ausländerbeschäftigungsgesetz die Mehrklassigkeit von Ausländern abzuschaffen. Sie haben es noch immer nicht geschafft, das Aufenthaltsgesetz zu einem umfassenden Integrationsgesetz umzuwandeln und das Ausländerbeschäftigungsgesetz, diese elendige Geißel für viele Tausende ausländische Beschäftigte, abzuschaffen. Sie haben es noch immer nicht geschafft, hier einen Schritt Menschlichkeit einzubringen. Und das ist die Ursache dafür, daß wir es heute mit so vielen Fällen zu tun haben, die – ein jeder für sich – grausam genug sind.

Ich lese Ihnen einige Bescheide vor, die auch Resultat Ihrer Regierungspolitik sind, Herr Bundeskanzler. – Bescheide, die vom Amt der Wiener Landesregierung ausgestellt worden sind. Da geht es zum Beispiel darum, daß ein Mann hier seit 1981, die Frau seit 1983 hier gearbeitet haben und Kinder im Alter von 17, acht und sechs Jahren haben. Die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für die ganze Familie, obwohl der Mann seit 1981 da ist, wurde mit der Begründung abgelehnt, daß die Unterkunft dieser Familie mit 33 Quadratmetern, bestehend aus Zimmer und Küche viel zu klein ist. – Fall eins. Herr Bundeskanzler! Das kennen wir zur Genüge, daß solche Fälle abgelehnt werden.

Fall zwei, ein ähnlich gelagerter Fall: Der Mann arbeitet schon lange Zeit hier. Die Verlängerung wurde deshalb abgelehnt, weil nur eine eine Zimmer-Küche-Wohnung vorhanden war.

Fall drei ist eigentlich der gravierendste, und es ist nur einer von vielen Fällen aus einer langen Serie. Es wurde eine Familienzusammenführung abgelehnt, weil der Mann mit 19 075 S Nettoverdienst nicht genug Geld habe, seine Familie zu ernähren.

Meine Damen und Herren! Es sitzen einige hier herinnen, die aus ihrem Alltag hoffentlich noch wissen, was 19 075 S für viele Österreicher bedeuten. Einige würden sich freuen, wenn sie soviel verdienen würden. Eine Million Österreicher hat ganz sicher weniger als 19 000 S Nettoeinkommen. Aber einem Ausländer, der seit langer Zeit hier in Österreich lebt, wird die Familienzusammenführung abgelehnt, weil er "nur" 19 000 S netto, also zirka 25 000 oder 26 000 S brutto, verdient. Die Partei konnte lediglich ein monatliches Einkommen in Höhe von 19 075 S netto des Gatten nachweisen, und das sei für die Frau und für vier Kinder zu wenig. (Abg. Dr. Graf: Im Jahr?)

Manche würden sich glücklich schätzen, wenn sie 19 000 S netto verdienen würden. Mit dieser Lage wären viele Österreicher zufrieden. Und das ist ein Resultat dieser Politik von Aufenthaltsgesetz und Ausländerbeschäftigungsgesetz, und Sie, meine Damen und Herren von der


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