Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 54

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Es ist ziemlich spannend. Wenn man die Zeit hätte, könnte man einiges aus den damaligen Debattenbeiträgen zitieren. Es ist deshalb spannend, weil sich alles – nicht nur in Bezug auf die Krankenscheingebühr –, was 1960 damals im Parlament diskutiert wurde, heute in der Debatte wiederholt.

Herr Minister Hums! Ich kann Sie beruhigen, auch 1960 – damals allerdings noch einstimmig – hat der Sozialausschuß die Meinung vertreten, daß neben der Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge, die damals als Alternative zur Abschaffung beschlossen wurde, eigentlich gleichzeitig die Tabaksteuer zur Finanzierung der Krankenversicherung herangezogen werden sollte. Damals waren alle drei Parteien im Sozialausschuß – damals hat es nur drei Parteien gegeben – einer Meinung. Diese Einigkeit, meine Damen und Herren, vermisse ich in der Frage beziehungsweise in der Angelegenheit um die Reform des Krankenversicherungswesens.

Damals waren sich die Redner der unterschiedlichen Parteien durchaus darüber einig, daß eine Reform der Krankenkassen kein Projekt ist, das man mit einem Schritt umsetzen kann, sondern daß immer wieder Adaptierungen notwendig sein würden.

Einen "historischen Witz" nannte die Arbeiterkammer Oberösterreich diese Wiedereinführung der Krankenscheingebühr; ich meine, sie hat aus mehren Gründen recht.

Es ist eigentlich auch ein aktueller Witz, daß wir heute eine Krankenscheingebühr mit den Stimmen der Regierungsparteien beschließen werden, eine Krankenscheingebühr, die aus mehrerer Hinsicht – nicht nur, weil sie in der Geschichte schon einmal da war – überflüssig ist, sondern weil sie in der Form, wie sie beschlossen wird, auch keinen Sinn macht, eine Krankenscheingebühr mit Ausnahmen für anzeigepflichtige Krankheiten, die man in dieser Form gar nicht vollziehen kann, sondern nur hinten herum, indem man diese Ausnahme der Anzeigepflicht sozusagen bei der Krankenversicherung geltend macht, denn jeder Kranke, der seinem Arbeitgeber sagen würde, daß er eine anzeigepflichtige Geschlechtskrankheit oder AIDS hat, muß natürlich damit rechnen, daß er unmittelbar danach seine Kündigung in der Hand hat.

Das heißt, diese Ausnahme von der Krankenscheingebühr für alle, die anzeigepflichtige Krankheiten haben, die Sie hier so großzügig beschließen, ist kein großes Entgegenkommen von Ihrer Seite.

Es ist einfach dumm und borniert, es in dieser Form hineinzuschreiben, denn jeder, der diese Ausnahme beanspruchen würde – offen beanspruchen würde –, wozu er ein Recht hat; dieses Recht verbürgen Sie ihm ja –, muß mit seiner Kündigung rechnen. Was bleibt ihm also als Alternative? – Er kann zum Arbeitgeber gehen und so tun, als ob er den Krankenschein so wie jeder andere beansprucht, und nachher – so wird es vermutlich in einer Durchführungsverordnung geregelt werden – kann er sich diese Krankenscheingebühr von 50 S bei der Krankenkasse holen.

Meine Damen und Herren! Seien Sie mir nicht böse: Das ist wirklich lächerlich! Seien Sie mir nicht böse, aber es wird niemand wegen 50 S Krankenscheingebühr zu seiner Krankenkasse gehen, wo er doch weiß, daß ihm der Arbeitsausfall für den Gang zur Krankenkasse in der Regel mehr Kosten verursacht, wenn er sich dafür frei nehmen muß. Das ist also eine Regelung, die so wenig Sinn macht und so wenig Perspektiven bietet, daß man sie wirklich aus gutem Grunde nicht hineinnehmen hätte sollen.

Die Befreiung der Krankenscheingebühr für die Rentner hat es damals, vor 1960, auch schon gegeben. Und es hat auch damals schon die Regelung gegeben, daß man durch das Picken dieser 50 S-Marken den Krankenschein sozusagen erst bewertet, daß man ihn dadurch erst gültig macht.

Nur: Wir diskutieren hier und heute genau dasselbe wieder. Wir haben keine probate Regelung, die uns tatsächlich helfen würde, diese Krankenscheingebühr, die Sie einführen, zu administrieren. Darum wird sie ausgesetzt. Sie wird auch wegen der anstehenden Wiener Wahlen im Herbst ausgesetzt, würde ich einmal meinen, die natürlich diese Sache nicht so einfach machen.


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