Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 55

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Ich denke, es ist nicht möglich, diese Krankenscheingebühr aus guten Gründen zu rechtfertigen. Sie, Herr Minister, wissen das. Sie haben ja lange Zeit gegen diese Krankenscheingebühr auch Stellung genommen und für die Erhöhung der Beiträge gekämpft.

Ich möchte noch einen Punkt nennen: Was ich wirklich für eine Chuzpe halte an dieser Regelung zur Krankenscheingebühr ist die Tatsache, daß man, wenn man einen Wahlarzt beansprucht, und bei einem Wahlarzt ohnehin nur mehr 80 Prozent des Kassentarifs erhält und zusätzlich aufzahlen muß, weil ein Wahlarzt in der Regel wesentlich mehr kostet als ein Kassentarif, wenn man also bereit ist, eigentlich einen ordentlichen Selbstbehalt dafür zu leisten, daß man einen Arzt seiner freien Wahl beansprucht, und so die Krankenkasse irgendwo entlastet, muß man trotzdem eine Krankenscheingebühr zahlen: eine Krankenscheingebühr von 50 S.

Herr Minister! Darin kann ich keinen Sinn nicht mehr erkennen. Das ist Wurzerei, schlicht und einfach nur mehr Wurzerei zu nennen. Ich sehe keinen Sinn darin, daß ich für einen Gang zu einem Arzt, für den ich keinen Krankenschein brauche, weil ich ihm den Krankenschein ja nicht zur Verrechnung vorlegen kann, wo ich dann ohnehin 20 Prozent Selbstbehalt für Administration zahlen muß – das ist ja die Begründung, warum von 100 Prozent auf 80 Prozent gekürzt wurde –, warum ich für den Gang zu diesem Wahlarzt eine Krankenscheingebühr bezahlen muß. Das ist schlicht und einfach nur als Wurzerei zu bezeichnen!

Beitragserhöhung oder Krankenscheingebühr? – Das war die Debatte, die 1960 im Parlament geführt wurde, und das ist die Debatte, die eigentlich heute zu führen notwendig wäre. Beitragserhöhung oder Krankenscheingebühr?

Im Jahre 1960 hat sich das Parlament in diesem Fall – aus guten Gründen – für eine Beitragserhöhung ausgesprochen. – Selbstbehalte sind unsozial, meine Damen und Herren von der ÖVP, Sie wissen das. Im Jahr 1960 waren sich die Regierungsparteien und sogar die Freiheitliche Partei, deren Hauptredner damals Kandutsch hieß, einig darüber, daß die Selbstbehalte in dieser Form, wie wir sie in Österreich kennen keineswegs einen lenkenden Effekt im Gesundheitswesen haben und schon aus diesem Grund nicht das, was man sich von Ihnen verspricht, einlösen können. Deshalb sind im Jahr 1960 die Selbstbehalte bei der Krankenscheingebühr abgeschafft worden. (Abg. Ing. Reichhold: Wir Bauern müssen zum Beispiel damit leben! Wir haben 20 Prozent Selbstbehalt!)

Das ist ein ganz guter Einwand, nur, lieber Kollege Reichhold – ich habe es jetzt leider nicht mit –, schau dir doch die entsprechenden Regelungen an. Es ist dokumentierbar mit den Unterlagen der Sozialversicherung, daß die Selbstbehaltsregelungen, die es bei den Beamten und bei den Bauern gibt, dennoch einen wesentlich höheren Aufwand, bezogen auf den einzelnen Kranken, verursachen als dies im Bereich der Gebietskrankenkasse der Fall ist. Es ist schön dokumentierbar anhand den Tabellen, was im Bereich der Eisenbahnerkrankenkasse – das weiß auch sicher der Herr Minister –, was im Bereich der bäuerlichen Krankenkassen und was im Bereich der Beamtenkrankenkassen an Aufwand betrieben wird, mitsamt dem Selbstbehalt. Der Selbstbehalt hat keineswegs die Wirkung, die ihr euch davon versprecht, nämlich eine regulierende, daß man vorsichtiger umgeht mit der Leistung, daß man weniger die Leistung beansprucht. Ganz im Gegenteil: Offensichtlich ist der Aufwand, der pro einzelnem Kranken im Bereich der Eisenbahnerkrankenkassen, im Bereich der Beamtenkrankenkassen und im Bereich der bäuerlichen Krankenkassen betrieben wird, höher als bei den Gebietskrankenkassen, wo es keine Selbstbehaltsregelung in diesem Sinn, wie es angesprochen wurde, gibt.

Darüber muß man wirklich sehr ernsthaft diskutieren, und diese Diskussion vermisse ich. Es wird ja nicht diskutiert über Selbstbehalte. Es wird nicht diskutiert, worin der Sinn einer Selbstbehaltsregelung liegt, bei der man nicht einmal weiß, wieviel Administrationsaufwand damit verbunden ist. Wir wissen ja nicht einmal – auch der Hauptverband weiß es nicht –, was insgesamt an Kosten für die Administration von Selbstbehalten verursacht wird. – Keine Auskunft!

Sie wissen, Herr Minister, ich habe eine entsprechende Anfrage an Sie gestellt. Sie haben die Anfrage an den Hauptverband weitergegeben. – Es gibt keine Kostenerhebung, welchen


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