Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 35. Sitzung / Seite 157

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–, aber die neue NATO ist etwas gänzlich anderes als die alte NATO und hat mit dieser nichts mehr zu tun!?

Mein Eindruck ist, daß eine abschließende Bewertung dieser zentralen Fragestellung nicht durchführbar ist. Wenn man sich herstellt und sagt, diese Fragen stellen sich heute alle nicht, man muß möglichst schnell und gleich dort hinein, dann habe ich den Eindruck: Es geht im Kern nicht um Sicherheitsfragestellungen, sondern es geht um eine ideologische Verbrämung von Sicherheitspolitik, die in Wirklichkeit der Interessenlage dieses Landes nicht angepaßt ist.

Und ich habe den Eindruck, die Bevölkerung sieht das genauso. Nicht zu Unrecht ist die große Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor der Auffassung, Österreich soll ein neutraler Staat bleiben. Nicht deswegen, weil die Neutralität teilweise auch mythologisiert und überhöht wurde, sondern vor allem deswegen, weil viele Menschen den Eindruck haben, alles das, was da jetzt vorgeschlagen wird mit WEU, NATO und so weiter und so fort, ist so wie ein Wettrennen, daß wir schnell irgendwo wieder beitreten sollten, ohne daß wir ganz genau wissen, was am Ende dieses Prozesses stehen wird.

Ich habe weiters den Eindruck, daß es das Bedürfnis der österreichischen Bevölkerung jetzt ist, einmal den Betritt zur Europäischen Union zu verdauen, zu schauen, daß wir innerhalb der Europäischen Union jene Funktion wahrnehmen, die wir uns vorgenommen haben, als wir Mitglied der Europäischen Union geworden sind, und nicht, uns bereits in die nächste Kooperationsstruktur einzulassen, hinsichtlich der wir wieder sagen, was wir alles darin ändern werden, ohne daß wir unseren Auftrag und unserer Aufgabe in der Europäischen Union bereits erfüllt hätten.

Daher glaube ich schon, daß auch die Frage, ob wir wo beitreten oder nicht und zu welchem Zeitpunkt wir es machen, eine Frage der demokratischen Akzeptanz in der Bevölkerung ist und nicht nur eine Hinhaltetaktik, weil es auch darum geht, welche Diskussionen in diesem Zusammenhang geführt werden und welche Zielsetzungen man damit verbindet.

Über die Frage Neutralität als Mittel oder Ziel kann man lange philosophieren. Klassische Begriffsauffassung in Österreich war, daß sie ein Mittel zur Erreichung der Unabhängigkeit und Souveränität des Landes und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit sei. Selbstzweck war es nie.

Wenn dieser Wunsch nun in der Debatte geäußert wird, dann müßte die Neutralität mit einem derartigen Ausmaß wie die Demokratie oder die Freiheit als Grundwert ausgestattet werden, etwas, was ich aber auch in den Ausführungen des Kollegen Öllinger nicht erkennen konnte, daß sozusagen Neutralität als Wert per se nun gleichrangig neben Demokratie und Freiheit stehen würde. Aber wenn das eine politische Zielsetzung ist, dann bin ich bereit, darüber zu diskutieren. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Sofort, Kollege Wabl.

Nur glaube ich, daß man es sich nicht so leicht machen und mit globalen Formulierungen über dieses Problem hinweggehen und sagen kann, neutral ist heute nicht mehr: Ost-West alleine, sondern auch Nord-Süd und so weiter und so fort.

Ich habe viel Verständnis für Entwicklungspolitik und so weiter, aber: Wie schaut denn heute neutrale Entwicklungspolitik aus? Wie schaut heute neutral sein im Nord-Süd-Maßstab aus, wenn man als Teil des Nordens die Entscheidungen der internationalen Finanzinstitutionen auch aus eigenen Interessen heraus mitträgt? Es ist relativ schwierig, ökonomisch und politisch klar zugehörig sein, aber es ist nicht richtig, sich eine Spielwiese zu suchen und zu sagen, wir sind neutral und eigentlich gehören wir nicht zu dem, wo wir in Wirklichkeit dazugehören. Man sollte politische Zielsetzungen, die man hat, als solche bezeichnen, was sie sind – und nicht zu versuchen, hinter dem Titel "Neutralität" Dinge zu verbergen, die nicht drinstecken. (Abg. Wabl: Sagen Sie das dem Bundeskanzler!)

Führen wir daher eine vernünftige, saubere sicherheitspolitische Debatte, manchmal auch nur eine militärische, auch wenn die anderen Bereiche natürlich viel, viel wichtiger sind. Aber man muß auch diese Frage, so meine ich, klar beantworten.


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