Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 27

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Herr Bundesminister! Ich bitte Sie noch einmal, unserem Transfermodell wenigstens kurz die Aufmerksamkeit zu schenken, Sie werden dann nämlich draufkommen, daß wir darin nicht, wie Sie glauben, die Förderung armer und reicher Familien vermischen. Das ist eine Folge, weil Sie Familienförderung auch über das Steuersystem beziehungsweise den Steuertarif betreiben. Wir wollen keinen Freibetrag, der an Unterhaltspflichten oder an der Unterhalts-Leistungsfähigkeit gemessen wird. Das ist nicht unsere Absicht. Wir wollen selbstverständlich an der Individualbesteuerung festhalten und haben noch nie Familiensplitting oder ähnlichen Modellen das Wort geredet. All das, Herr Bundesminister, sind Mißverständnisse.

Aber wir glauben, daß Sie das Steuersystem von familienpolitischen Überlegungen zu befreien haben, daß wir nur dann einen Schritt weiterkommen, wenn wir die beiden Dinge trennen, nämlich ein gerechtes Steuersystem und familienpolitische Leistungen, die der Staat als Förderung für diese Familien zu erbringen hat. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie sagen es ja selbst: Den 58 Milliarden des Familienlastenausgleichsfonds stehen über 200 Milliarden Schilling im familienpolitischen Paket im Staatshaushalt insgesamt gegenüber. Wir reden also sozusagen nur von einem Viertel davon, nämlich dem Familienlastenausgleichsfonds. Es gibt sehr viele Wege – über den Wohnungsmarkt, Kindergärten, Bildungskosten und anderes –, wie familienpolitisch wirksam geholfen und das Förderungsziel, daß die steigende Zahl der Familien an der Armutsgrenze verringert oder vermieden wird, erreicht werden kann.

Herr Bundesminister! Ich glaube nach wie vor, daß wir in diesem Bereich umzudenken haben, da wir feststellen müssen, daß die Zahl der armutsgefährdeten Familien trotz Ihres Systems steigt, da es uns trotz unserer Rekordposition innerhalb Europas nicht gelungen ist, diesem Phänomen Herr zu werden. Wir bitten Sie daher, die besagten Reformen einzuleiten.

Herr Bundesminister! Ich meine, daß das Anknüpfen an den Unterhaltsanspruch des Kindes tatsächlich eine erstklassige und neue Idee ist. Ich habe Herrn Kollegen Kier schon oft dazu gratuliert, daß ihm das eingefallen, daß ihm dieses Licht aufgegangen ist.

Ich bitte Sie, das nicht mit dem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch zu vermischen, sondern es vom Grundgedanken her zu sehen. (Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen.)

Noch einen Schlußsatz – wenn Sie gestatten, Herr Präsident –: Die Liberalen sind der Meinung, daß Familienförderung beziehungsweise das neue System nicht gerecht und nicht fair wäre, wenn wir die Vermögensverhältnisse der Betroffenen nicht in die Überlegungen miteinbeziehen. Damit reden wir nicht der Wiedereinführung der Vermögensteuer das Wort, aber es sollte ein kluges Modell gefunden werden. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

11.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte sehr.

11.31

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich könnte meine Rede erheblich kürzen, indem ich sagte: Ich stimme den Ausführungen des Herrn Finanzministers vollinhaltlich zu!, aber fünf Minuten sind fünf Minuten. (Zwischenruf des Abg. Böhacker. ) Ich werde es wiederholen, es ist ja meine Redezeit.

Die SPÖ wurde initiativ – ich darf das in Erinnerung bringen –, sie hat eine Studie über die Verteilungswirkungen initiiert, Herr Kier – Sie haben ja die Verteilung angesprochen –, und zwar mit dem Entschließungsantrag vom 22. März 1991. Diese Studie wurde vom Finanzminister in Auftrag gegeben, wurde vorgelegt und vor kurzem hier debattiert. Sie ist die Grundlage für Überlegungen in Richtung weiterer Reformen, denn – ich räume das ein und sage es hier schon seit 1993 – es besteht Reform- und Regelungsbedarf gerade im Familienbereich. Ich bin überzeugt davon, daß eine aktive Verteilungspolitik durch die öffentlichen Haushalte eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit ist.


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