Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 47. Sitzung / Seite 58

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Der gesetzliche Kontrapunkt der Abschöpfung der Bereicherung und des Verfalls der Vermögenswerte einer kriminellen Organisation soll dabei nicht nur auf kriminelles Handeln demotivierend einwirken, sondern zugleich auch die Reinvestition krimineller Gewinne in die Planung und Begehung neuer Straftaten, aber auch deren Einsickern in die legalen Wirtschaftsstrukturen verhindern oder zumindest erschweren.

Die Abschöpfung der Bereicherung und der Verfall neuen Typs als eigenständige strafrechtliche Reaktionen lösen sich von den strengen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Sanktion im engeren Sinne, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen eine partielle Umkehr der Beweislast vorsehen, auch die Vermögenswerte bereicherter Dritter erfassen und auch bei Abwesenheit des Täters zur Anwendung gelangen können.

Die Erweiterung der strafrechtlichen Reaktionspalette durch Bereicherungsabschöpfung und Verfall verdeutlicht einmal mehr, daß die Bekämpfung der Kriminalität im allgemeinen und der organisierten Kriminalitätsformen im besonderen keine eindimensionale Aufgabe ist. Neben die klassische Reaktion der Verfolgung und Bestrafung einzelner Personen müssen andere Maßnahmen der Reaktion, vor allem aber auch der Prävention sowie der internationalen Zusammenarbeit treten. Nur dann kann es uns gelingen, den Aufbau krimineller grenzüberschreitender Netzwerke zu verhindern oder zu stören beziehungsweise solchen Netzwerken und Strukturen den Nährboden zu entziehen.

Mit der Beschlußfassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 am heutigen Tage setzt der österreichische Gesetzgeber einen wichtigen Schritt auf diesem mühevollen Weg, dem auch in Zukunft – nicht zuletzt auch durch die Schaffung von Rechtsgrundlagen für besondere polizeiliche Ermittlungsinstrumente – unsere volle Aufmerksamkeit gewidmet sein muß.

In den Rahmen der Bemühungen zur effizienteren Bekämpfung organisierter Kriminalität gehören auch die im Strafrechtsänderungsgesetz enthaltene, heute schon erwähnte Neugestaltung des Tatbildes der kriminellen Organisation sowie die Schaffung von neuen Straftatbeständen gegen ausbeuterische Schlepperei, gegen den unerlaubten Umgang mit Kernmaterial und radioaktiven Stoffen, gegen die Herstellung und Verbreitung von ABC-Waffen oder gegen den illegalen Export gefährlicher Abfälle, den Mülltourismus.

Aus dem prozeßrechtlichen Teil des Strafrechtsänderungsgesetzes möchte ich nur einen Punkt hervorheben: den neuen Rechtsbehelf der Erneuerung des Strafverfahrens, mit dem Österreich im Bereiche der Umsetzung von Entscheidungen der Straßburger Rechtsschutzinstanzen auch aus internationaler Sicht Neuland betritt.

Meine Damen und Herren! Das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 stellt nach jenem aus dem Jahre 1987 die umfangreichste Änderung des Strafgesetzbuches seit der großen Strafrechtsreform der siebziger Jahre dar. Es geht dabei vor allem um eine Anpassung an neue Ausprägungen kriminellen Verhaltens ebenso wie an geänderte gesellschaftliche Auffassungen, sei es durch Entkriminalisierungen wie etwa beim Tatbestand des Ehebruchs, sei es durch Schaffung oder Verschärfung von Straftatbeständen wie etwa – über die schon erwähnten Beispiele hinaus – im Bereich des Umweltstrafrechts, der Kinderpornographie, Gewalthandlungen oder fremdenfeindlich motivierter Straftaten.

Abgesehen von den nunmehrigen Neuregelungen werden aber auch manche andere Teile unseres Strafrechts als überarbeitungsbedürftig empfunden, so vor allem die in der Konzeption aus den sechziger Jahren stammenden Tatbestände des Sexualstrafrechts. Dies ist anhand der Diskussion der letzten Monate über das entsetzliche Phänomen der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen besonders deutlich geworden. Ich habe daher, wie von hier aus seinerzeit angekündigt, eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe zur Revision dieser Strafbestimmungen eingesetzt, und ich lade auch die Parlamentsklubs des Hohen Hauses ein, an den Arbeiten dieses Gremiums teilzunehmen.

Entscheidungsreif, meine Damen und Herren, erscheint mir aber die Frage der besonderen Sexualstraftatbestände im homosexuellen Bereich. Seit dem Ministerialentwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 1994, in dem vom Bundesministerium für Justiz die Streichung der §§ 220


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