Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 31

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wie die in der Regierungsvorlage vorgesehene Integration geistig Behinderter in die Schule der 10- bis 14jährigen. Alle möglichen Bedenken sind an mich herangetragen worden, aber ich bin davon überzeugt auch an Sie, wie beispielsweise, daß die Behinderten unter die Räder kommen werden, das Niveau sinkt, es sich nur um einen Modetrend handelt, mit dieser Integration die Gesamtschule eingeführt werden soll, es nur um eine scheinbare Gleichbehandlung geht und vieles andere mehr. Ich glaube, man darf es den Leuten nicht übelnehmen, wenn sie der Integration geistig Behinderter skeptisch gegenüberstehen. Ich glaube auch, daß wir akzeptieren müssen, daß es Vorurteile, daß es Bedenken, Ängste und Ablehnung gibt, denn immerhin betreten wir Neuland, wenn wir eine solche Integration festschreiben. Meiner Meinung nach ist es auch sehr schwer, den richtigen Weg zu einer sinnvollen und guten Integration zu finden, und ich gebe auch selbst zu, daß ich eine Suchende bin, daß ich auch nicht weiß, was jetzt der richtige Weg für die Behinderten und auch für die Nichtbehinderten ist.

Gerade deshalb bekenne ich mich dazu, auch zu den Suchenden zu gehören, weil ich sehr viel mit Behinderten zu tun habe: mit leicht Behinderten, mit schwer Behinderten, mit schwerst Behinderten, mit Retardierten. Da wird einem das Ausmaß, welche Probleme mit einer vollen Integration verbunden sind, natürlich ganz besonders klar.

Ich bin aber – dazu bekenne ich mich auch – auf der Suche nach dem richtigen Weg, besser gesagt: auf der Suche nach dem besten Weg, doch zu der Überzeugung gelangt, daß die völlige Integration von geistig Behinderten der richtige oder der bessere Weg ist, denn es geht darum, daß man den Behinderten auch die Möglichkeiten eröffnet, eine Gemeinschaft mit Nichtbehinderten zu bilden und daß man Vorurteile abbaut.

Die Kritiker glauben, der geistig Behinderte lebt am besten abgeschlossen nur unter Seinesgleichen, denn was rund um ihn vorgeht, nimmt er überhaupt nicht wahr, aber das stimmt gar nicht. Selbstverständlich baut der Behinderte, auch der geistig Behinderte eine Beziehung zu seiner Umgebung auf, er hat eine Sensibilität, und er nimmt in einem sehr großen Umfang wahr, was alles in seiner Umgebung geschieht. Und gerade Kinder brauchen das Beispiel von Nichtbehinderten.

Sie wollen teilnehmen an den Themen, die sie besprechen, nehmen die Sprache wahr, die Bewegung, wollen Zuneigung und auch Fürsorge, und sie wollen auch das Gefühl haben, dazuzugehören. Ich glaube, das muß man einmal klarmachen, daß es diese Gefühle, daß es diese Sensibilität bei geistig Behinderten gibt, daß das nicht Menschen sind, die sich am allerwohlsten fühlen, wenn sie wieder nur unter geistig Behinderten sind.

Ich bin überzeugt davon, daß jene Behinderten, die in einer integrativen Klassengemeinschaft aufwachsen, ungeheuer viel profitieren von der Begegnung, von der selbstverständlichen Begegnung mit Nichtbehinderten.

Sie werden wahrscheinlich auch sehr viele Briefe bekommen haben, ich auch. Ich habe einen Brief von jemandem bekommen, der für die Beibehaltung der Sondereinrichtungen ist und ein positives Beispiel für eine Erziehung in dieser Sondereinrichtung bringt. Man schreibt mir – ich zitiere –:

Ein uns bekanntes Ehepaar sollte seine mongoloide Tochter nach bestem Können für das Leben fitmachen. Man riet ihnen, ihr im frühen Kindesalter Fertigkeiten zu vermitteln, die sie im täglichen Leben brauchen würde: So lernte die kleine Felicitas, ihren Raum in Ordnung zu bringen und in beschränktem Umfang kleine Mahlzeiten zuzubereiten. Sie war sehr stolz auf diese Eigenleistungen. Jetzt, nach dem Tod der Eltern, kann sie im Haushalt von Verwandten kleine nützliche Arbeiten verrichten und ist froh darüber. – Zitatende.

Vielleicht wäre die kleine Felicitas bei entsprechender aufgeschlossener Erziehung in der Lage, nicht nur kleine nützliche Arbeiten zu verrichten, damit sich die anderen darüber freuen können, daß sie so brav etwas machen kann, sondern bei einer entsprechenden Erziehung – dazu gehört die integrative Erziehung – wäre wahrscheinlich die kleine Felicitas in der Lage, Interessen zu entwickeln, die für sie selbst wichtig sind. Sie wäre in der Lage, Möglichkeiten zu finden, die ihrer Entfaltung einen größeren Raum geben, und sie wäre wahrscheinlich in der


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