Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 35

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Allein diese Vielfalt zeigt, daß jedes Kind beziehungsweise dessen Eltern nach der Beratung die besten Möglichkeiten aus dieser Vielfalt angeboten bekommen sollen. Es ist nicht so, daß jedes Kind die gleiche Lösung erhalten soll, sondern die für das jeweilige Kind beste Lösung wollen wir. Ich glaube, das ist auch ein individueller Zugang zur Lösung von Problemen, zu dem wir von uns aus ein volles und überzeugtes Ja sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es hat große Diskussionen darüber gegeben, ob wir einem geistig behinderten Kind das oder jenes an Zielen zumuten können. Da hat es schon deshalb Diskussionen gegeben, weil körperlich und geistig Behinderte verwechselt worden sind. Ich möchte hier klar zum Ausdruck bringen: Die körperliche Behinderung war in den letzten Jahren überhaupt kein Problem, denn das österreichische Schulsystem hat die körperlich Behinderten Gott sei Dank schon in den vergangenen Jahren gut integriert. Die Frage war jetzt, in welcher Form wir die Fortsetzung der Integration geistig Behinderter, die in den ersten vier Jahren, also in der Volksschule, ja bereits Wirklichkeit geworden ist, dann in den weiteren Schulstufen fünf bis acht durchführen.

Wir haben eindeutig festgelegt, daß das Ziel der Integrierung auch geistig behinderter Kinder in die fünfte bis achte Schulstufe der Hauptschule oder der AHS selbstverständlich nicht die Erreichung beispielsweise der AHS-Bildungsziele sein kann, sondern Ziel ist es selbstverständlich, die Sonderschule beziehungsweise den Stoff der Sonderschule positiv zu bewältigen. Dies soll aber in Form einer sozialen Lernsituation mit anderen nichtbehinderten Kindern gemeinsam geschehen, wobei vielleicht darüber hinaus das eine oder andere Ziel, das angeboten wird, in manchen Gegenständen erreicht werden kann.

Das heißt, es kann natürlich nicht so sein, daß wir sagen, okay, wenn wir integrieren, wenn wir geistig Behinderte integrieren, so soll damit die AHS oder die Hauptschule positiv bewältigt werden, aber das Angebot wird gemacht, daß diejenigen, die nicht behindert sind, den Umgang mit geistig Behinderten zeitgerecht lernen, womit auch das menschliche Verständnis des Miteinander gefördert wird, gleichzeitig wird aber auch die Chance wahrgenommen – das möchte ich durchaus so sehen –, den geistig Behinderten größere Entfaltungsmöglichkeiten, größere Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, als das bisher der Fall war.

Das heißt, es ist das eine Herausforderung für Lehrer und Eltern – und es ist eine Bereicherung für die Kinder. Es ist eine Herausforderung in der Bildungspolitik, die wir gemeinsam zu bewältigen haben werden, wofür sehr viel an Lehrerfortbildung notwendig sein wird und wo es zweifellos so ist – gerade im Ausschuß haben wir diese Feststellung getroffen –, daß natürlich nur im Ausnahmefall Lehrer ohne diese sonderpädagogische Ausbildung in diesen Unterricht integriert werden können, die Regel aber zweifellos sein muß, daß grundsätzlich nur für diesen besonderen Zweck ausgebildete Lehrer eingesetzt werden. Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil das Prinzip der Freiwilligkeit seitens des einzelnen Lehrers festgelegt wird. Dazu stehen wir, das wollen wir weiterentwickeln, und das soll auch als Sicherheit allen sehr engagierten Lehrern gegenüber heute betont sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Was die Frage der Kinder mit sonderpädagogischem Förderungsbedarf anlangt, haben wir zweifellos noch etwas zu sehen: Wenn wir es – wie es manche tun – rein vom Volkswirtschaftlichen her betrachten würden und nicht nur vom Menschlichen, das im Vordergrund steht, so haben wir einen Aspekt in die Überlegung einzubeziehen: Was kostet Nachschulung, was kostet Betreuung geistig behinderter Kinder, die nicht gelernt haben, mit ihrer Behinderung selbständig zu leben? – Das kostet Unsummen!

Wenn es gelingt, nur einen kleinen Teil dieser geistig behinderten Kinder in diesem gemeinsamen Unterricht besser auf das spätere Leben vorzubereiten, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet das, daß weitaus höhere Kosten, als sie sonst entstünden, durch diese andere Möglichkeit reduziert werden. Auch diesen Aspekt sollen wir in sehr sensiblen Diskussionen durchaus verwenden können. Es ist ein menschlicher Aspekt, es ist durchaus auch ein volkswirtschaftlicher Aspekt, aber das Individuum, das einzelne Kind steht für uns im Vordergrund. Die Politik hat den Menschen zu dienen – auch jenen, die nicht von vornherein die guten Gaben, die Möglichkeiten der Begabung mitbekommen haben.


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