Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 22

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Wir müssen uns heute schon fragen, warum dann ein derart großer Zuspruch besteht. Sicherlich liegt diese Zunahme bei den Sekten in der heutigen Zeit auch in den Bedürfnissen der heutigen Zeit, in der Suche nach Halt, nach Zuversicht, nach Angenommen-Sein, nach Geliebt-Werden, nach Hilfe und nach Gemeinschaft. Es muß uns in dieser Stunde auch zu denken geben, ob wir nicht präventiv alle auffordern sollten, sich in der Familie intensiver um die anderen Familienmitglieder zu kümmern und ihnen zu zeigen, daß man sie mag, und ihnen zu zeigen, welche Chancen man ihnen einräumt und welche Gefühle man ihnen entgegenbringt.

Die Schnellebigkeit der Zeit bringt oft Zukunftsangst. Das Nicht-Mitkönnen bringt Suche nach Orientierung. Und hier werden diese Gruppierungen oft als günstigstes Mittel oder als Problemlösung gesehen, weil sie ihre Ziele, den Halt so klar anbieten. Und genau dort liegt die Falle!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fälle, die uns zu denken geben sollten: auf der einen Seite, vom Baby beginnend, das sogenannte Keilen des Jugendlichen, letztendlich auch das Verwalten des jugendlichen Schicksals und die Chancenlosigkeit, auszusteigen. Selbst wenn viel Hilfe kommt, ist das nur in den wenigsten Fällen möglich. Zurück bleibt ein gebrochener junger Mensch, meist auch wirtschaftlich und psychisch ruiniert.

Aber auch die Erwachsenen werden oft unter dem Vorwand von Bildung, Ausbildung und mehr Chancen in Beruf und Gesellschaft zu Kursen gelockt und in finanzielle Nöte getrieben, die letztendlich – wie auch das Beispiel in Lyon zeigt, das dann zur Verurteilung geführt hat – im Selbstmord enden können. Das Schicksal der Anverwandten und der Familien muß uns im besonderen Maße etwas angehen und ans Herz gehen. Deshalb müssen wir helfen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir fühlen uns auch von der Österreichischen Gesellschaft für Menschenrechte unterstützt, die hier einige Beispiele aufzeigt. Einiges wurde schon genannt, etwa der Fall mit den Babies, aber auch die Sekte der "Sahaya Yoga", die empfiehlt, Kinder ins Ausland zu verschleppen – wir haben den Fall einer Mutter in der Sendung "Zur Sache" gesehen. Die Gerichte in Österreich, so glaube ich, haben hier ein besonderes Sensorium und eine vernünftige Sprachregelung gefunden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen auf verschiedenen Schienen arbeiten. Das Wichtigste aber ist, Hilfe anzubieten, auf der einen Seite aufzuklären, damit man nicht in diese Falle tappt. Das gilt für Erwachsene und für Kinder. Auf der anderen Seite – und dafür ist diese Sektenbroschüre sehr wichtig – aber müssen wir alles tun, um diesen Menschen, die sozusagen in dieses Schicksal hineingestrudelt sind, aktiv zu helfen und sie wieder in die Gesellschaft zurückzuführen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.54

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Brigitte Tegischer. – Bitte sehr.

10.54

Abgeordnete Brigitte Tegischer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte dieses Thema der heutigen Aktuellen Stunde aus der Sicht der Jugendsprecherin der SPÖ und als langjährige Jugendbetreuerin beleuchten.

Daß sich immer mehr Menschen, besonders junge Menschen, zu pseudoreligiösen Gruppierungen hingezogen fühlen, ist für mich kein überraschender Trend. In Zeiten des raschen gesellschaftlichen Wandels tauchen immer verstärkt Ängste und Unsicherheiten auf, und besonders bei Jugendlichen kommen dann noch die Faktoren dazu, daß sie in einer Entwicklungsphase stehen, daß sie sich vom Elternhaus lösen wollen, daß sie nach neuen Bezugspersonen und Vertrauenspersonen suchen, daß sie enttäuscht sind über unsere Gesellschaft, über den vorherrschenden Materialismus, über die Gefühlskälte, über den Egoismus und über die Hektik, die rund um sie herrscht, und daß sie vor allem das Bedürfnis – das haben wir alle – nach einem tieferen Sinn des Lebens haben, den sie verstehen wollen. Kommen Faktoren einer zerrütteten Familie mit all den Problemen noch dazu und sind einige Faktoren bei jungen Menschen besonders gravierend, dann sind sie sektengefährdet.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite