Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 114

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gelangen, nämlich zu einer Einkommensgrenze, unter der es alles und über der es nichts gibt, produzieren wir auch Armut.

Wir müssen die Einkommen gerecht bewerten und beurteilen, und es sind auch die Belastungen der einzelnen in diese Einkommensbewertung miteinzubeziehen. Dann können wir uns ein Bild machen, ob jemand wirklich arm ist, ob er nur wenig Einkommen hat – oder ob er mit öffentlichen Förderungen sein Einkommen im Gegensatz zu jemandem, der mehr verdient, kompensiert. Das sind Maßnahmen, die getroffen werden müssen.

Herr Öllinger! Mir gefällt auch, daß Sie auf einmal von einem Familien-Saulus zu einem Familien-Paulus geworden sind. Wenn man nämlich Ihre Aussagen aus letzter Zeit zum Thema Familie betrachtet, kann man wirklich nicht sagen, daß Ihnen intakte Familien ein Anliegen sind. Sie haben überall Mißstände festgestellt, Sie haben gesagt, die heile Familie gäbe es nicht in Österreich. – Ich sage Ihnen: Das ist die Mehrheit der Familien! Gerade diese Gruppe gehört unterstützt, und genau diese Familien – Sie schreiben das ja auch – sind unter der Armutsgrenze.

Helfen Sie durch eine gerechte Bewertung des Familieneinkommens mit, auch hier im Parlament jenen Familien, die mit ihrem Einkommen unter der Armutsgrenze liegen, mit einem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen, mit einem entsprechenden Gesamteinkommen entsprechende Unterstützung zuteil werden zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wir müssen danach trachten, die Treffsicherheit der Sozialgesetzgebung und die Treffsicherheit der individuellen Förderungsrichtlinien zu erhöhen, damit aus diesem Titel Armut nicht produziert, sondern bekämpft wird.

Die Österreichische Volkspartei wird jedenfalls alles unternehmen und dafür kämpfen, daß der Armut in dem Sinne, wie ich das jetzt dargelegt habe, entgegengetreten und in Österreich auf breitester Basis bekämpft wird. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Maderthaner!)

16.55

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Motter. – Bitte.

16.55

Abgeordnete Klara Motter (Liberales Forum): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Großruck, man kann die Armut aus vielfacher Sicht betrachten. Man kann sie natürlich als Bürgermeister einer Gemeinde betrachten, wo soziale Einrichtungen und Nachbarschaftshilfe vielleicht noch funktionieren. Ich möchte die Armut jetzt aus weiblicher Sicht betrachten, und ich behaupte: Die Armut in Österreich ist weiblich!

Herr Kollege Großruck! Ich meine auch, Armut, die man sieht, wird hier nicht bekämpft. Sie haben gesagt, überall, wo man Armut sieht, werde alles getan. Ich behaupte: Die Armut ist weiblich! Wir alle wissen, wo die Armut bei den Frauen ist, und deshalb kurz ein paar Fakten.

Meine Damen und Herren! Bis 1999 steigt laut Angaben des Arbeitsmarktservices die Zahl der weiblichen Arbeitslosen um ein Viertel, und zwar auf 120 000. Weiters gab es 1995 141 300 geringfügig Beschäftigte, 102 000 davon waren Frauen. Damit liegt der Frauenanteil bei 72 Prozent. Gemessen an den anderen Beschäftigungsverhältnissen beträgt der Anteil geringfügiger Beschäftigung bei den Frauen 7,9 Prozent, bei den Männern hingegen nur 2,5 Prozent. Arbeiterinnen gehen sogar zu 14,6 Prozent einer geringfügigen Beschäftigung nach. Die Zahl geringfügiger Beschäftigungen ohne Sozialversicherung explodiert geradezu. Sie ist innerhalb von einem Jahr um 20 Prozent gestiegen.

Weiters ist das Problem der sozialrechtlichen Absicherung durch die Werkvertragsregelung verschärft worden – diese haben Sie, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, erst kürzlich beschlossen.

Wir wissen, daß gerade die Erwerbstätigkeit der Frau dieser die Unabhängigkeit sichert und sozialrechtliche Absicherung gewährleistet. Die Erwerbsquote bei den österreichischen Frauen


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