Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 106

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eigentlichen Sinn des Wortes. Denn die Dringlichkeit hat noch einen weiteren Aspekt: Die eigentlichen Auswirkungen des Sparpakets in seiner sozialen Unausgewogenheit werden erst kommen! Sie haben noch nicht gegriffen. Die Salden sind noch nicht gemacht, die Kürzungen stehen bevor: Am 1. Februar kommen die ersten, und so weiter, und so fort. Das ist durchaus ein Anlaß, bei dieser Weichenstellung einen Saldo zu ziehen, da wir davon ausgehen, daß der Herr Bundesminister sich wahrscheinlich zum letzten Mal in der Funktion als Finanzminister positioniert.

Er ist aufgerufen, uns mitzugeben, was Sache sein wird, gleichgültig, ob er auch künftig Finanzminister sein wird oder aber Bundeskanzler. Es geht hier um eine einheitliche Politik und nicht um eine Politik des "Teile und herrsche!": daß der eine das Böse tut und der andere das Gute, der eine gelobt wird und der andere getadelt. Die Bundesregierung ist in Gesamthaftung für das Ergebnis! In diesem Sinn ist es sehr wichtig, daß derjenige, der das Finanzressort – letztlich die Nahtstelle all dieser Probleme – führt, hier Rede und Antwort stehen mußte. Das ist heute dringlicher denn je, denn die Herausforderungen sind die alten geblieben.

Wir haben es heute wieder von Kollegen Stummvoll gehört: Die Herausforderungen werden wir mutig annehmen! – Ja, das macht diese Regierung seit zehn Jahren, daß sie die Herausforderungen mutig annimmt, aber offenbar erwischt sie bestenfalls von unten ein kleines Zipferl. Dann sind die Herausforderungen wieder enteilt und immer noch dieselben geblieben.

Daß Herr Kollege Stummvoll die Sanierung der verstaatlichten Industrie angeführt hat, ist bemerkenswert. Dazu möchte ich von diesem Rednerpult aus sagen: Wenn mir die Gelegenheit gegeben wird, dreimal mit Hilfe der öffentlichen Hand massive Kapitalschnitte zu machen und dann saniert zu sein, so würde auch ich das treffen. Wenn Sie den einen oder anderen Privatkonkurs dadurch abwehren, daß Sie einfach zwei- bis dreimal hintereinander das verlorene Kapital zur Verfügung stellen, bis das Unternehmen endlich nicht mehr pleite ist, und das dann als Ihre Leistung loben, dann sage ich: Das war die Leistung der Steuerzahler, aber nicht der Regierung oder des Managements! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn der Herr Bundesminister Rechtssicherheit und Rahmenbedingungen als wesentliche Kriterien genannt hat, kann ich ihm nur beipflichten. Aber Rückwirkungen in den Gesetzen, wie wir sie zuletzt in unverhältnismäßig hoher Zahl erlebt haben, sind kein Hinweis auf hohe Rechtssicherheit, keine Hilfe für den Wirtschaftsstandort und kein Anlaß für die Bevölkerung, davon auszugehen, daß ordentlich regiert wird.

Ein weiterer Aspekt sind Forschung und Entwicklung. Kollege Stummvoll hat darauf hingewiesen. Ich habe ein gutes Langzeitgedächtnis und erinnere mich, daß von diesem Pult aus im Jahr 1987 die Angehörigen der Regierungsfraktionen verkündet haben: Jetzt kommt die große Forschungs- und Technologieoffensive! Jetzt haben wir die Verbundgesellschaft quasi privatisiert, jetzt sind die Milliarden da, ab jetzt geht es bergauf! Das war vor zehn Jahren. Wo sind wir heute? – In einem Forschungswellental, weit entfernt von den OECD-Durchschnittswerten. Wir werden heute noch Gelegenheit haben, darüber zu reden.

Ich hege die starke Befürchtung, daß sich dieser Prozeß wiederholen wird und wir jetzt wieder eine große Technologieoffensive angekündigt bekommen vom gleichen Zuschnitt wie diejenige, die 1987 versprochen wurde und ausgeblieben ist. Das waren nur beruhigende Worte, die erklären sollten, wozu man das Geld eingenommen hat, weil man nicht zugeben wollte, daß man es eigentlich dafür brauchte, die Löcher in den Haushalten zu stopfen. Diese Ankündigung wäre heute glaubwürdiger, wenn sie nicht von einer Bundesregierung käme, die solche Ankündigungen schon zum wiederholten Mal gemacht, aber kein einziges Mal eingehalten hat.

Wenn der Herr Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung als eines unserer höchsten Güter den sozialen Zusammenhalt genannt hat, dann kann ich ihm nur beipflichten. Selbstverständlich ist der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft eines der Fundamente, auf denen es sich gut streiten lassen, auf denen sich die Wirtschaft gut entwickeln können sollte und auf denen wir friedlich zusammenleben können sollten. Doch muß er von allen getragen werden! Tragen müssen ihn in der wirtschaftlichen Dimension diejenigen, die in der Wirtschaft die Leistungen


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