Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 107

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erbringen. Diese Menschen müssen überzeugt sein, daß sie ihre Leistungen für etwas erbringen, was sinnvoll konstruiert ist. Glauben Sie mir das!

Wenn man hingegen der Meinung ist, in ein falsch konstruiertes Faß ohne Boden einzuzahlen, dann ist man über kurz oder lang verdrossen. Dann sagt man sich: Wozu plage ich mich so, wenn diejenigen, denen ich mein Geld anvertraue – die in der ersten Adresse "Finanzamt", in der zweiten Adresse "Finanzminister" und in der dritten Adresse "Bundesregierung" heißen –, das Geld nicht sorgfältig ausgeben? Das macht keine Freude!

In diesem Sinn und auf die Kollegin Langthaler zurückkommend: Es handelt sich nicht um die Frage "Primat der Ökonomie oder Primat der Politik?", sondern es handelt sich um die Frage "Primat der Vernunft".

Wenn wir die richtigen Ziele vorgeben und nicht das eine zum Selbstzweck für das andere machen, wenn wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen und wenn wir uns gemeinsam einen neuen Sozialkontrakt überlegen, der finanzierbar ist, dann werden alle mit Freude daran mitwirken. Aber Voraussetzung wird auch sein, daß wir diejenigen, die mit Freude an diesem System mitwirken, in die Lage versetzen, das zu tun. Wenn wir das nicht tun, wird die Freude erst recht nachlassen. Dann werden wir nicht einmal einen neuen Sozialkontrakt schaffen.

Der Herr Bundesminister hat gesagt, die Diskussion über die Finanzierbarkeit sei wichtig. Es freut mich, daß er das anerkannt hat, doch sage ich, das ist nur ein Element. Das zweite ist die Diskussion über die Ziele und die Möglichkeit ihrer Erfüllung. Dazu gehört zum Beispiel die soziale Treffsicherheit. Denn wenn wir nicht dorthin zahlen, wo es wirklich notwendig ist, sondern einfach gleichmäßig verteilen, damit möglichst alle applaudieren, auch die, die es eigentlich gar nicht brauchen, dann machen wir einen schweren Fehler. All diese Strukturreformen sind bis heute ausgeblieben. Da das wahrscheinlich auch morgen noch so sein wird, wird es morgen vielleicht noch dringlicher sein. Dringlich war es heute jedenfalls. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

16.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Kaufmann. Er hat das Wort.

16.47

Abgeordneter Mag. Herbert Kaufmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Es gibt, so glaube ich, wenn man die Anfrage durchliest, einen fundamentalen Irrtum, was den Begriff Reform betrifft. Denn alles, was Sie wollen und wir nicht wollen, bezeichnen Sie als Reform, und alles, was Sie wollen und wir nicht wollen und deshalb auch nicht durchgeführt wird, bezeichnen Sie als Reformstau. Das ist, so glaube ich, ein fundamentaler Irrtum. (Abg. Hans Helmut Moser: Ihrerseits!)

Bei einem Teil dessen, was Sie als Reform bezeichnen, gibt es einfach unterschiedliche politische Zielsetzungen. Wir wollen etwas anderes. Das hat mit Reformunfähigkeit überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei einem Teil dessen, was Sie wollen, geht es tatsächlich um Reform, nämlich dann, wenn es um Abbau der Bürokratie, Einsatz neuer technologischer Möglichkeiten im Dienstleistungsbetrieb der Verwaltung, kundennähere Dienstleistungen et cetera geht.

Aber Reform, insbesondere im Neoliberalismus, heißt meistens Anpassung insbesondere der Rechte, der Möglichkeiten der Arbeitnehmer nach unten. Das ist etwas, was wir ganz einfach nicht wollen, was wir vom Grundsatz her ablehnen. Wir wollen keine Verschlechterungen für Arbeitnehmer, wir wollen keine Verschlechterung für die sozial Schwächeren in Kauf nehmen.

Ein Beispiel: Wir werden in einiger Zeit hier über die Arbeitszeitflexibilisierung sprechen. (Abg. Dr. Feurstein: Freut mich!) Auch wir halten es für notwendig, Veränderungen in diesem Bereich herbeizuführen, um Anpassungen, etwa an Anlagen und Kundenwünsche, besser vornehmen zu können. Aber diese Effizienzsteigerung muß für alle gut sein. Das muß auch ein Vorteil – und


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