Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 175

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Die zweite, sehr wichtige Rechtsfolge einer solchen Einrichtungsgarantie wäre wohl, daß man auch die Standards, die sich durch eine solche verfassungsgesetzliche Festlegung ergeben, ständig in einer Dynamik anzupassen hat.

Meine Damen und Herren! Warum kommen wir zu einem solchen Ergebnis, wenn es um die Verankerung des Schutzes und der Förderung von Ehe und Familie in der Verfassung geht? – Erstens: Wenn wir uns auf einfachgesetzlicher Ebene anschauen, welche Rechte und Pflichten eigentlich einer Familie, den Partnern in einer Ehe zugeordnet werden, dann müssen wir sagen, daß es sehr umfangreiche und sehr langfristige Verpflichtungen sind.

Ich denke in diesem Zusammenhang etwa an die Beistandspflicht im Ehegesetz. Ich denke an das Obsorgerecht für die Kinder. Ich frage mich, wenn wir auf einfachgesetzlicher Ebene dem Ehepartner und dem Erzieher eine Verpflichtung sehr langfristiger Natur auferlegen: Wo steht denn auf der anderen Seite eine Verpflichtung des Gesetzgebers, des Verfassungsgesetzgebers, der sich in Fragen von Ehe und Familie ebenfalls eine Verpflichtung auferlegen soll, nämlich eine Verpflichtung in Richtung Einrichtungsgarantie?

Zum zweiten haben wir uns auch völkerrechtlich international dazu verpflichtet. Schauen wir uns doch die Regelungen dazu an: In Artikel 12 und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention wird festgehalten, daß Menschen, die im heiratsfähigen Alter sind, ein Recht darauf haben, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.

Oder nehmen wir die Europäische Sozialcharta her, die im Artikel 16 eine ganz klare Ausformulierung in dieser Hinsicht trifft. Ich darf es verlesen: Die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft hat das Recht auf angemessenen sozialen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz, damit ihre volle Entfaltung gesichert ist.

Meine Damen und Herren! Gerade die Europäische Sozialcharta, die in diesem Hause auch oft von diesem Pult aus gelobt wird, sieht das ganz explizit vor. – Wir haben das aber nicht in Bundesverfassungsrang übernommen.

Drittens kann auch Vorbild sein, daß es einige Bundesländer gibt, die eine solche Staatszielbestimmung bereits in ihrer Landesverfassung verankert haben: Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich sind uns diesbezüglich vorangegangen, und dort entfaltet das ja auch diese Wirkung in den Bereichen, in denen Länder Zuständigkeiten für die Familie haben.

Meine Damen und Herren! Letztlich möchte ich noch auf einen Grund verweisen: Wir haben eine sehr umfangreiche Liste in Österreich, was verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrechte betrifft. Das steht in der Rechtsqualität eine Stufe höher als das, was wir vorschlagen. Aber wenn wir heute die Unverletzlichkeit des Hausrechts, die Freiheit der Berufswahl, das Recht auf Datenschutz verfassungsgesetzlich gewährleistet haben, dann, so meine ich, sollte sich "Familie" im Verfassungsrang nicht darauf beschränken, daß sich der Verfassungsgerichtshof nur über den Gleichheitsgrundsatz mit Fragen der Familie auseinandersetzt.

Wir schlagen daher eine solche Staatszielbestimmung vor, vor allem für Ehe und Familie, auf der anderen Seite aber natürlich auch für einen anderen sehr wichtigen Bereich, nämlich für die Entwicklung des ländlichen Raumes, und natürlich auch für eine gewerbliche Nahversorgung. Unser Ziel ist es nicht, daß wir in Österreich eine Landwirtschaft haben, die in einer industriellen Agrarproduktion aufgeht, und auf der anderen Seite keine gewerbliche Nahversorgung mehr haben, sondern eine Konzentration von riesigen Einkaufszentren an den Stadträndern. Das ist nicht unsere Vorstellung, und daher würden wir diese Bereiche gerne in einem eigenen Bundesverfassungsgesetz geregelt sehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.04

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Mertel. Sie hat das Wort.

22.04

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ haben im Wortlaut identische Anträge ge


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