Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 176

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stellt. Beiden ist auch gemeinsam, daß die Begründung keine nähere Interpretation des Wortlautes zuläßt, zum Beispiel was unter "Aufgaben der partnerschaftlichen Ehe" verstanden wird; es ginge auch: "partnerschaftliche Gestaltung der Ehe". Oder wie ist diese Formulierung zu interpretieren: Männer und Frauen haben das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen? – Miteinander, Frau/Mann, Frau/Frau, Mann/Mann? Was damit gemeint ist, würde auch eine nähere Definition erfordern. Sie sollten das klarstellen, denn dieser Wortlaut ist nicht so eindeutig, wie Sie feststellen können, wenn Sie sich den Text durchlesen.

Eine Erklärung bleiben Sie vor allem auch dafür schuldig, was Sie unter "natürlichen Elternrechten" und deren "Vorrang" verstehen.

Wir Sozialdemokraten halten daher aus mehreren Gründen diese Anträge für problematisch. Herr Kollege Spindelegger hat schon aufgezeigt, daß in der Europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich in Verfassungsrang steht, der Schutz der Familie im Artikel 8 festgeschrieben ist. Nach der Rechtssprechung der europäischen Instanzen umfaßt der Familienbegriff des Artikels 8 auch nichteheliche Familien, also Lebensgemeinschaften, aber auch die Gemeinschaft Mutter/uneheliches Kind, aber auch Vater/uneheliches Kind. Der Artikel 8 schützt demnach ausdrücklich Alleinerzieherfamilien.

Ehe und Familie sind also nach europäischer Rechtsordnung nicht notwendigerweise unmittelbar miteinander verknüpft, da der Begriff "Familie" auch Rechtsbeziehungen zu unehelichen Kindern miteinschließt, aber auch Alleinerzieherfamilien.

Dem gegenüber steht der ÖVP-Antrag, der den Begriff beziehungsweise den Zusammenhang zwischen Ehe und Familie enger faßt. Der Wortlaut zeigt, daß Familie vorwiegend als Ehe zu begreifen ist. Meiner Auffassung nach kollidiert das daher mit dem weitergehenden Familienbegriff des Artikels 8 MRK, in den eben auch nichteheliche Lebensgemeinschaften und alleinerziehende Familien miteinbezogen sind.

In der Begründung dieser Anträge wird auch das ÖVP-Grundsatzprogramm, also das Parteiprogramm, zitiert und die Auffassung von Ehe und Familie dargestellt. Ein wesentlicher Unterschied zu unserer Auffassung besteht darin, daß wir "Familie" nicht als engsten juridischen Begriff verstehen, sondern akzeptieren, daß die Familie einem Strukturwandel unterworfen ist, der gesellschaftlichen Veränderungen gegenüber offen ist.

Wir gehen nämlich von dem Grundsatz aus, daß jeder Mensch das Recht hat, die Weise seiner Lebensführung nach eigener Überzeugung frei zu gestalten. Wir definieren Familie als jede Form des dauernden Zusammenlebens in partnerschaftlicher und demokratischer Weise, die dem einzelnen Mitglied dieser Gemeinschaft Solidarität, Anteilnahme und Schutz bietet.

Wir Sozialdemokraten lehnen es ab, von vornherein ganz bestimmte Familienkategorien zu schaffen, vor allem dann, wenn eine Kategorie zur Diskriminierung der anderen führt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn man den Gedanken des Antrages weiterverfolgt, in dem nämlich vom "Vorrang des natürlichen Elternrechts" gesprochen wird. Da der Antrag die nähere Erklärung, was darunter zu verstehen ist, schuldig bleibt – auch die Begründung offenbart diesbezüglich nichts –, muß man annehmen, daß es sich wohl ganz eindeutig um die genetische Abstammung handeln dürfte.

Die Regelung, die dieser Artikel 1 Abs. 3 des Antrages beinhaltet, steht meiner Auffassung nach mit bestehenden rechtlichen Regelungen im Gegensatz zum Beispiel zum Rechtsinstitut Adoption, das der genetischen Abstammung nachgebildet wurde, ist aber auch mit einfachgesetzlichen Regelungen wie dem ABGB schwer vereinbar – das hat Herr Abgeordneter Spindelegger schon zitiert. Die Obsorge ist schwer vereinbar mit den einfachgesetzlichen Regelungen der §§ 176 ff: Entziehung oder Einschränkung der Obsorge.

Problematisch erscheinen mir auch der Artikel 4 und die Verankerung des Familienlastenausgleichsfonds im Verfassungsrang. Denn hier ist festzuhalten, daß die Förderung der Familien


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