Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 71

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Meine Damen und Herren! Allein aufgrund der fehlenden Therapiezentren ist das Motto "Therapie statt Strafe" lediglich eine publikumswirksame Augenauswischerei! Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Motto – und dieses Motto möchte ich auch unseren Kindern weitergeben – lautet: Dem Leben mehr Leben geben – und weniger Sucht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Khol: Das wollen wir auch!)

13.26

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lackner. – Bitte, Herr Abgeordneter.

13.26

Abgeordneter Manfred Lackner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Kaum ein anderes Thema – die heutige Debatte beweist dies – wird derart hart und kompromißlos diskutiert wie die rechtliche Behandlung des Drogenmißbrauchs. Die einen sehen immer viel zuviel Nachsicht, die anderen viel zuviel Strafe bei der Behandlung dieser sicherlich sehr sensiblen und bedeutungsvollen Frage.

Bedeutungsvoll ist diese Frage deshalb, weil sie mit mehreren sozialen Grundprinzipien in unserer Gesellschaft auf das engste verknüpft ist. Da ist einerseits die Frage angesprochen, wie wir mit denjenigen umgehen, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu helfen und die die gelebte Solidarität auch wirklich brauchen. Gleichzeitig aber ist in diesem Bereich die Frage angesprochen, wie wir glauben, daß sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln soll. Leider lassen sich diese beiden Fragen im Grunde nicht miteinander harmonisieren, denn die Fragen nach individueller Hilfe und nach gesellschaftlicher Zielvorstellung sind logisch zwingend nur isoliert zu betrachten.

Worum geht es? – Ich erhoffe – und ich hoffe, das ist auch Ihr Ziel, geschätzte Damen und Herren – und wünsche mir eine Gesellschaft, in der es keine Drogen gibt, in der niemand den Drang verspürt, aus irgendwelchen Gründen der Wirklichkeit entfliehen zu müssen. Es ist aber heute schon mehrmals angeklungen: Dieser Wunsch ist eine Illusion, und wir müssen uns daher real damit auseinandersetzen, daß es Menschen gibt, die Stoffe verschiedenster Art im wahrsten Sinne des Wortes mißbrauchen.

Dabei sind wir zwangsläufig bei der anfangs gestellten, individualisierenden Frage angelangt, was denn mit diesen Personen geschehen soll. – Die Antwort im Sinne von Solidarität und im Sinne von Hilfe ist klar: Helfen dort, wo Hilfe nötig und möglich ist, und das ist sie in sehr vielen Bereichen des Drogenkonsums. Strafen dort, wo Strafe nötig ist, besonders dort, wo es um größere Mengen Suchtgift geht, wo es um den Weiterverkauf geht, und selbstverständlich auch dort, wo es um die Herstellung und den Import solcher Stoffe geht. Das bedeutet aber auch, daß sich der Staat dort, wo weder Hilfe noch Strafe gebraucht wird, mit seinem Machtapparat möglichst weit zurückziehen soll.

Die Frage, warum wir die sogenannten leichten Drogen – wie zum Beispiel Cannabis, wie das in der heutigen Diskussion bereits mehrmals angeklungen ist – nicht freigeben, kann ich Ihnen aus meiner Sicht leicht beantworten. Individuell gesehen mag eine völlige Freigabe – Herr Professor Van der Bellen, ich sage bewußt "mag" – vielleicht Sinn machen, aber dies würde völlig im Widerspruch zu unserem gesellschaftlichen Grundziel einer drogenfreien Gesellschaft stehen. Wir dürfen nämlich nicht die Wirkung des Signals, das wir durch eine Freigabe oder durch eine Nichtfreigabe aussenden, vernachlässigen.

Geschätzte Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem neuen Suchtmittelgesetz heute die Zustimmung erteilen. Es vereint die gesellschaftspolitische Zielsetzung eines Nein zu Drogen mit dem Faktum, daß es Drogenmißbrauch und Drogengebrauch in unserer Gesellschaft als tatsächliches Problem gibt, und daß die betroffenen Personen Hilfe und Therapie statt Strafe benötigen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.30


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite