Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 134

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Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Böhacker. Redezeit: 5 Minuten. – Bitte.

17.39

Abgeordneter Hermann Böhacker (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! 100 000 Mehrkinderfamilien in Österreich leben unter der Armutsgrenze. Herr Bundesminister für Finanzen! Das sollte auch Ihnen zu denken geben.

Täglich steigt die Zahl jener österreichischen Mehrkinderfamilien, die unter diese Armutsgrenze fallen, und es ist bedauerlich und für mich unverständlich, Herr Bundesminister, daß Sie in Ihrem Haus keine Berechnungen haben, welche Mehrbelastungen sich für Mehrkinderfamilien mit Alleinverdienern ergeben. Wenn Sie in Ihrer Anfragebeantwortung anführen, daß die angespannte Personalsituation in Ihrem Ressort eine Beantwortung der einzelnen Anfragen derzeit nicht möglich macht, dann erinnere ich mich zurück an die Zeit, als es darum ging, ein Belastungspaket zu schnüren, das die österreichischen Bürger mit 66 Milliarden Schilling belastet hat. Da waren die Personalreserven sehr wohl vorhanden, da wurden tagtäglich neue Modelle errechnet, wie man den Österreicherinnen und Österreichern neue Steuern aus der Tasche ziehen könnte.

Herr Bundesminister! Sie wissen genau, daß im Jahr 1972 die Haushaltsbesteuerung durch die Individualbesteuerung abgelöst wurde, und gerade diese Individualbesteuerung bringt durch den progressiven Einkommensteuertarif enorme Mehrbelastungen für Alleinverdiener gegenüber Familien mit doppeltem Einkommen mit sich. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Auch die vorgesehenen Alleinverdienerabsetzbeträge ermöglichen es nicht, diesen steuerlichen Nachteil entsprechend zu verringern beziehungsweise aufzuheben.

Den größten Nachteil aus dieser Individualbesteuerung haben vor allem jene, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, also Lohneinkünfte, beziehen und als Alleinverdiener keine Möglichkeit haben, diese Lohneinkünfte zu splitten, ganz im Gegensatz zu anderen Einkunftsarten, bei denen es sehr wohl möglich ist – in der Regel bei Besserverdienenden –, diese zu verlagern, etwa vom Mann auf die Frau durch Betriebsanteilsschenkungen oder durch Übertragung von entsprechenden Kapitaleinkünften.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher ist es notwendig, daß wir versuchen, diese Steuerungerechtigkeit zu beseitigen. Ziel aller Abgeordneten, die sich für Familienpolitik und für eine gerechte Steuerpolitik engagieren, müßte es sein, ein steuerfreies Existenzminimum für jedes Familienmitglied zu schaffen (Beifall bei den Freiheitlichen) , das heißt, bis zum Existenzminimum ist das Familieneinkommen entsprechend steuerfrei zu stellen.

Dazu haben wir Freiheitlichen ein entsprechendes Familiensteuersplittingmodell erarbeitet, und ich kann den Vorwurf schon gar nicht mehr hören, Herr Bundesminister, daß es dadurch zu einer Umverteilung von unten nach oben käme, denn gerade unser freiheitliches Familiensteuersplittingmodell hat eine Deckelung nach oben, das heißt, es geht nur bis zu einer gewissen Einkommenshöhe, wobei man darüber diskutieren kann, ob das ein Jahreseinkommen von etwa 300 000 oder 400 000 S sein soll. Nur bis zu einem gewissen Höchstbetrag besteht die Optionsmöglichkeit – nicht die Pflicht, die Optionsmöglichkeit! –, sich dieses steuerlichen Familiensplittings zu bedienen. Nur so wäre es möglich, Steuergerechtigkeit walten zu lassen.

Es gibt entsprechende Beispiele für dieses Familiensteuersplitting. Es gibt in Deutschland das Ehegattensplitting, es gibt das französische Familiensteuersplitting. All diese Modelle könnten adaptiert auch auf Österreich angewendet werden. Solange nämlich im österreichischen Steuertarif die Progressionsbänder sehr eng sind und es relativ rasch eintritt, daß man von einer Progressionsstufe zur anderen, von einem Grenzsteuersatz zum anderen hinüberwechselt – etwa von 32 auf 42 Prozent –, so lange ist es notwendig, für kleinere und mittlere Einkommen entsprechende Splittingmöglichkeiten zu gewährleisten.


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