Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 84. Sitzung / Seite 221

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humanen Gesellschaft ist. Aber nicht der Staat ist das konstitutive Element, und nicht die Kirchen sind das konstitutive Element, sondern die Menschen, und manchmal machen sie es ganz schlecht, manchmal machen sie es besser, manchmal heißen sie Mutter Theresa, und manchmal heißen sie Khol. Verstehen Sie mich? Da gibt es eine große Bandbreite! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Selbstverständlich ist die Caritas ein natürlicher Verbündeter von Menschen, die für die Nächstenliebe eintreten, weil sie sie für human wichtig halten, und selbstverständlich gibt es Gesprächsbrücken weit über die engen Grenzen des Beichtstuhls hinaus, Herr Professor Khol, nämlich etwa zwischen toleranten Katholiken, offenen evangelischen Menschen und toleranten Juden. All das gibt es, quer über manche Brüche. – Kollegin Partik-Pablé hat hier einen aus ihrer Sicht und auch aus unserer Sicht durchaus vernünftigen Mittelvorschlag gebracht, indem sie sagte: Erklären wir doch ausdrücklich, daß wenigstens Strafbarkeit expressis verbis nicht vorliegen soll! – Das wurde nicht einmal aufgegriffen! Im Gegenteil: Es wird der Vorwurf erhoben, das sei Anbiederung. Ich bin der letzte, der sich in Positionsfragen mit der Freiheitlichen Partei solidarisiert, aber das ist eine sehr üble Unterstellung! Kollegin Partik-Pablé hat rechtstaatlich argumentiert, da war nicht ein Hauch von Anbiederung dabei! Glauben Sie mir!

Es kann jemand in Fragen der Kriminalisierung von Drogenabhängigen – ich spreche nicht von Freigabe von Drogen, wie Sie das so salopp nennen – der Meinung sein, daß das nicht das einzige Mittel sein kann und daß man es anders machen muß. Wenn dann aber behauptet wird, daß derjenige, der Alternativen zum ausschließlichen Monopol der sogenannten Wertestifter, in diesem Fall der beamteten Wertestifter, der vor allem in Amtskirchen auftretenden Wertestifter, zum Beispiel den Ethikunterricht propagiert, ein "wertloser Geselle" sei, dann ist das nicht redlich! Ich habe nie behauptet, daß Leute, die für mich falsche Werte vertreten, wertlos sind. Bischof Krenn, den ich durchaus sehr kontradiktorisch sehe, ist kein wertloser Mensch. Er tritt nur für Werte ein, für die ich nicht eintrete, aber die Menschenwürde spreche ich ihm nicht ab. Das ist der Unterschied! – Diese Diskussion gefällt mir nicht.

Zum Böckenförde-Paradoxon: Das ist kein Paradoxon! Es ist das nur für jemanden paradox, der glaubt, der Staat oder die Kirche sei Mutter oder Vater aller Dinge. Das glauben wir Liberale sicherlich nicht! Wir glauben an die Eigenverantwortung des Menschen, an die Verpflichtung, selber für seine Meinung einzustehen, sie begründen zu können. Und das kann man überhaupt nur, wenn man sie von Werten ableitet. Glauben Sie, die Begründungen fallen einem von selber ein, wenn man nicht irgendwelche grundsätzlichen ethnischen Haltungen hat? Glauben Sie, man kann ein solches Thema, das Ihr Fraktionskollege als "Randthema" bezeichnet hat, mit Anliegen vortragen, wenn einem Werte nicht wichtig sind?

Vielleicht sind Ihnen andere Werte wichtig! Geben Sie acht, nicht intolerant zu werden! Ich frage mich: Wäre es für den ÖGB nicht ein großer Vorteil und ein administrativer Gewinn sondergleichen, wenn die Mitgliedschaft zum Gewerkschaftsbund auf dem Meldezettel anzuführen wäre, weil es anders nicht möglich ist, 1,6 Millionen Mitglieder zu verwalten? Glauben Sie das wirklich? – Aber diese Idee ist noch nicht einmal ein Ansatz! Natürlich werden Sie jetzt sagen: Was ist schon der ÖGB? Das ist ein Verein! Und als er seinerzeit gegründet wurde, war er noch ein Kampfverein, das kann man doch mit einer Religionsgemeinschaft nicht vergleichen! Ich vergleiche es nicht! Ich habe nur die administrativen Schwierigkeiten erwähnt.

Selbstverständlich anerkennen wir die denkmalpflegerischen, die sozialen, die karitativen, die schulischen und all die Leistungen, die Religionsgemeinschaften erbringen. (Abg. Dr. Haselsteiner: Vergiß den Friedhof nicht!) Wir anerkennen sie voll, allerdings bei allen Religionsgemeinschaften. Daher frage ich mich: Warum ist die Republik Österreich nie auf die Idee gekommen, wenigstens im Ansatz den Versuch zu unternehmen, von all den vielen Synagogen in dieser Stadt, die im Jahr 1938 tabula rasa niedergebrannt worden sind, einige wieder aufzubauen. Das waren auch Gotteshäuser – allerdings keine katholischen!; das gebe ich Ihnen zu.

Daher frage ich mich: Inwiefern war das, was Sie gesagt haben, ehrlich gemeint? Es war mir ein Bedürfnis, das zu sagen – auch auf die Gefahr hin, daß Sie mich für moralisierend halten. Aber


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