Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 68

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13.01

Abgeordneter Mag. Dr. Udo Grollitsch (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Verehrter Herr Bundeskanzler Klima – wo immer Sie im Rahmen der Sportdebatte als Sportminister sein mögen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie Ihr Interesse an sportlicher Tätigkeit derzeit offenbar durch Laufen bekunden, nämlich durch Laufen zum Mittagessen!

Es ist erfreulich, daß es gelungen ist, den Sportbericht 1995 – ich sage dazu: endlich! – hier im Hohen Haus zur Debatte zu bringen, und zwar auch zu einer vernünftigen Zeit, und daß wir das so stiefmütterlich behandelte Thema Sport hier etwas ausführlicher diskutieren können.

Wenn ich den Herrn Bundeskanzler hier in absentia mitbegrüßt habe, dann soll damit auch ausgedrückt werden, daß er seine Absenz nicht nur anläßlich dieser Debatte und nicht nur anläßlich ausschlaggebender Diskussionen zu Sportthemen in unserem Land aufrechthält, sondern er hat sich auch den Ausschußberatungen, die sehr lange gedauert haben, vollständig entzogen. Er ist in Sachen Sport ausschließlich bei Festveranstaltungen und Pokalüberreichungen zu sehen, und das ist mir für einen Bundesminister des Sportes zu wenig.

Der Herr Staatssekretär hat sich mit seinen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sehr wohl in die Debatten der Ausschußberatungen eingeschaltet und hat offenbar als Ausfluß dieser Diskussionen vor einigen Tagen ein noch druckfrisches Hefterl mit dem Titel "Nachwuchssport in Österreich" (der Redner hält eine orangefarbene Broschüre im Format A5 in die Höhe) veröffentlicht, in dem eine Lobhudelei über das bestehende Sportwesen, illustriert durch Modelle, Ideen und Demonstrationen des Vereinsgeschehens, versucht wird.

Herr Staatssekretär! Aber so sportlich, wie Sie verständlicherweise auf Seite 1 die österreichische Jugend darstellen, mit dieser Sitzschwebe am Ring, ist bedauerlicherweise der Zustand von Österreichs Jugend in Summe nicht. Es sollte Ihnen nicht entgangen sein, daß die Schulärzte vor wenigen Tagen Alarm geschlagen und berichtet haben, daß 900 000 von insgesamt 1,2 Millionen Schülern in Österreich nach den Befunden der Schulärzte gesundheitlich beeinträchtigt sind. Eine große Zahl übergewichtiger Kinder zwischen 14 und 16 Jahren, mit einem Körpergewicht von bis zu 150 Kilogramm, ist nachgewiesen. 14 Prozent der Erstklassler haben bereits verkrümmte Wirbelsäulen. Bis zur 12. Schulstufe steigt diese Zahl auf 30 Prozent. Übergewicht ist gang und gäbe.

Meine Herrschaften! Das ist das wahre Bild der österreichischen Sportjugend und bedauerlicherweise nicht das in diesem Hochglanzbüchlein veröffentlichte. Dieses läßt im übrigen jegliche Inserate vermissen, woraus zu schließen ist, daß das Bundeskanzleramt dafür eine entsprechend hohe Investition getätigt hat.

Der Zustand der österreichischen Jugend, der Schuljugend wird von der zuständigen Bundesministerin Gehrer auf die Anwürfe der Schulärzte hin so beantwortet, daß sie sagt, man könne nicht behaupten, daß die Schulen die Hauptschuld an dieser Misere trügen. – Frau Bundesminister! Selbstverständlich sind auch Sie heute nicht hier, aber ich hoffe, daß wir Gelegenheit bekommen, bei der Diskussion über den nächsten Sportbericht mit Ihnen darüber sprechen zu dürfen. Wenn Sie diese Schuld von sich weisen, haben Sie selbstverständlich in gewissem Maße recht, aber diejenige, die tatsächlich etwas dagegen tun kann, in erster Linie etwas dagegen tun kann, das sind Sie, das ist der Schulsport, das ist die Schulverwaltung.

Der Schulsport liegt auf dem Boden. Seit 15 Jahren wird nur abgebaut. Die freiwilligen Übungen, die Neigungsgruppen wurden eliminiert, die Schulsportveranstaltungen sind mit dem Sparpaket mehr oder minder abgeschafft worden. Das heißt, es wird im Schulunterrichtswesen immer mehr abgebaut. In der BHS gibt es kaum Sportunterricht, in der Berufsschule ist keine Rede davon, und auch die letzte Novelle sieht den Sport als allerletzten Punkt unter "unverbindliche Übungen" gerade noch formell vor, aber in der Tat geschieht auf diesem Sektor nichts.

Dieses Versagen des Schulsportes setzt sich bis hinauf zu den Universitäten fort. Sie haben im Universitäts-Organisationsgesetz die Vorgabe des Sportes an den Universitäten herausgenommen. Das Ergebnis ist, daß bei vormals 50 000 sportlichen Studenten in nur weniger als zwei Jahren, seit Einführung des neuen UOG, bereits ein Rückgang von 20 Prozent zu verzeichnen


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