Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 111

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

geschädigt wurden, wenigstens die Möglichkeit gegeben wird, daß sie noch zu Lebzeiten – es handelt sich ja in der Regel um Leute, die schon sehr betagt sind – in den Genuß dessen kommen, was ihnen aufgrund dieser Gesetzen zukommen kann.

Es ist zweifelsohne richtig, daß man nicht zuwartet, denn je länger man zuwartet, desto mehr würde man die Möglichkeit vereiteln – das wäre beim DDR-Verteilungsgesetz der Fall –, daß die Menschen das Geld, das verfügbar ist, auch tatsächlich noch bekommen können.

Dahinter stehen – das haben Kollege Höchtl und auch Kollege Ofner in aller Dramatik bereits geschildert – die Ereignisse, die im Jahre 1945 zur Vertreibung von Millionen Menschen geführt haben, zur Folter, zum Tod und oft zu bestialischer Behandlung. Das erfordert zweifelsohne, daß man sich die Frage stellt: Wie stehen wir dazu? (Zwischenruf der Abg. Apfelbeck. ) Frau Kollegin Apfelbeck! Sie haben kritisiert, daß die Republik überhaupt Entschädigungsverträge mit der Tschechoslowakei geschlossen hat. Das haben alle damals getan! Alle Staaten haben das getan, weil in der Zeit des Kommunismus keine Hoffnung bestanden hat, sonst überhaupt etwas zu bekommen. Daher hat man gesagt: Wenigstens können wir auf diese Weise den Opfern einigermaßen helfen, wenngleich das – da haben Sie natürlich recht – in keinem Verhältnis zu dem steht, was die Menschen dort verloren haben, was ihnen genommen wurde. (Abg. Apfelbeck: Andere Staaten haben nachverhandelt! Dadurch haben die Eigentümer ihr Eigentum zurückbekommen!) Sie wissen aber auch, daß die Rückgabe von Eigentum auch bei der Wiedervereinigung der früheren DDR mit der Bundesrepublik auf große Schwierigkeiten stieß! (Abg. Dr. Graf: Man darf doch keine Schwierigkeiten scheuen!) Sie konnte in dieser Form nicht durchgeführt werden. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler. )

Lassen Sie mich nun zum eigentlichen, wesentlichen Thema kommen: Es ist hier von Kollegen Höchtl darauf hingewiesen worden, daß er seine Hoffnung in Menschen wie den Präsidenten Havel setzt, der – er hat ihn zitiert – nach der Wende, nach dem Übergang der Tschechoslowakei zur Demokratie erklärt hat, daß Schluß sein muß mit der Lüge und dem Verschweigen. Das wurde damals in der Aufbruchstimmung eines demokratischen Staates gesagt, und übrigens hat auch der sozialistische Außenminister der damaligen Regierung Dienstbier ähnliche Worte gefunden. Warum, so fragt man sich, ist es so schwierig gewesen, in den Verhandlungen zwischen Deutschland und Tschechien auch nur annähernd einen solchen Text zu finden, mit dem diese Ereignisse in so klaren Worten verurteilt werden? (Abg. Dr. Graf: Warum haben Sie nicht mitverhandelt?)

Warum ist es Deutschland und Tschechien so schwergefallen, einen gemeinsamen Text zu finden? – Weil sich in der Zwischenzeit unter der demokratischen Regierung die frühere kommunistische, dann sozialistische Opposition dieses Themas nationalistisch bemächtigt hat! (Abg. Dr. Ofner: Václav Klaus war auch nicht ohne!) Václav Klaus war nicht mehr in der Lage, das angesichts der Renationalisierung und des Aufpeitschens der Menschen mit nationalistischen Ideen durchzusetzen.

Das heißt, daß das jetzige Tschechien – und um dieses handelt es sich ja bei diesem Bemühen Deutschlands und Tschechiens, zu gemeinsamen Texten zu kommen – nur ein Minimum im Parlament durchbringen konnte, und zwar auch meiner Meinung nach zuwenig. Ich bin nämlich auch der Auffassung, daß es einer klaren Erklärung Tschechiens bedürfte, denn derartige Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen Leute, die sich keinerlei persönliche Schuld zukommen lassen haben, können nicht einfach ad acta gelegt werden. Selbst die EU sieht vor, daß bei Beitrittsländern als Kriterien erstens die Rechtsstaatlichkeit, zweitens die Demokratie und drittens das Vorhandensein geeigneter Institutionen vorgesehen sind. Das gilt auch für den Widerruf der Beneš-Dekrete. Darüber sind wir uns einig. Es ist jedoch eines, das anzumahnen und zu fordern, aber etwas anderes, eine Regierung zu kritisieren, daß sie das angesichts der Verhältnisse, wie sie derzeit in Tschechien herrschen, nicht erreichen kann!

Herr Dr. Graf! Nun möchte ich Sie in Anbetracht der zwei Anträge, die Sie hier mit der Bitte um Unterstützung eingebracht haben, folgendes fragen: Warum haben Sie diese Anträge, die ich persönlich mit viel Sympathie sehe, nicht im Ausschuß eingebracht? Dort hätte man die Möglichkeit gehabt, diese zu behandeln und auch Rücksprache mit der Regierung zu halten. Die


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite