Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 99

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ganzes Leben lang begleiten und betreuen muß. (Abg. Rauch-Kallat: Dafür zahlen wir auch die Familienbeihilfe!) Verstehen Sie mich? Das ist ein fundamentaler Unterschied im Zugang zum Menschen und seiner Würde. Das möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus sagen. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Deswegen haben wir ein Modell entwickelt, das sich den Kindern zuwendet und das die Kinder nicht zu einer betriebsgewöhnlichen Ausgabe macht. (Beifall beim Liberalen Forum.) Das ist ein Unterschied, glauben Sie mir das!

Wenn Sie das Problem lösen wollen, dann müssen Sie die eigentliche Rechtsmaterie angreifen. Sie müssen sich dann ansehen, wie unser Unterhaltsrecht beschaffen ist. Ist es nicht noch viel zu sehr im 19. Jahrhundert verwurzelt? Der standesgemäße Unterhalt als Denkfigur: Ist das nicht vielleicht der fundamentale Fehler in sozialrechtlicher Hinsicht? Die Inanspruchnahme der Unterhaltspflichtigen auf Grenzen, die viel zu niedrig sind: Ist nicht vielleicht das ein Problem, das wir lösen müssen?

Wie halten wir es – jetzt für die Fachleute gesagt – mit unserem Nettobegriff im Einkommensteuerrecht? – Wenn wir einen subjektiven Nettobegriff haben und das Kind daher als außergewöhnliche Belastung betrachten, dann müssen wir den Weg über die Steuern gehen. Wenn wir hingegen einen objektiven Nettobegriff haben, der die außergewöhnliche Belastung gar nicht kennt, dann können wir nicht über die Steuern gehen und müssen entsprechend der Leistungsfähigkeit der Eltern Transfers vornehmen.

Das ist eine Möglichkeit, das Problem zu lösen und gleichzeitig dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gerecht zu werden. Wenn Sie das nicht wollen, dann sagen Sie auch, daß Sie das nicht wollen. Möglich aber ist das, und damit wäre die Regelung verfassungskonform. Denn nur weil das Kind dem Gesetz nach als außergewöhnliche Belastung, als Betriebsausgabe aufgefaßt werden kann, konnte der Verfassungsgerichtshof zu diesem Ergebnis kommen.

Meiner Ansicht nach sollten Sie darüber nachdenken, ob es manchmal nicht wichtiger wäre, sich mit dem eigentlichen Problem zu beschäftigen und erst dann die Ideologie einzuschalten, als von vornherein eine vorgefaßte Meinung zu haben und dabei in Kauf zu nehmen, daß Kinder auf der Strecke bleiben.

Um Ihnen ganz polemisch ein Extrembeispiel vorzuführen: Ihr Europa-Abgeordneter (in Richtung ÖVP) Karl Habsburg hat – wie Sie wissen –, als er an der Grenze mit einem Diadem im Wert von deutlich über einer Million Schilling ertappt wurde, erklärt, dieses sei ein Spielzeug für seine Tochter. (Abg. Dr. Schmidt: Standesgemäß, Volker!) Sie kennen ja das Problem: ein Diadem um eine Million Schilling als Spielzeug für die Tochter. Ich kann mir schon vorstellen, daß so jemand Spielzeug für seine Tochter recht gern von der Steuer absetzen möchte, aber da werden wir nicht mitmachen. Verstehen Sie mich? Da werden wir nicht mitmachen. (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Kopf: Aber bitte!)

Herr Kollege Kopf, wenn Sie sich darüber so aufregen, dann muß ich annehmen, daß es vielleicht kein Spielzeug für die Tochter war. Das ist ja die wahrscheinlichere Variante. Vielleicht war es einfach eine Abgabenhinterziehung, auch das ist möglich. Aber wenn derselbe Europa-Abgeordnete dann für sich in Anspruch nimmt, daß wir – mit "wir" meint er sich, Pluralis majestatis, Sie kennen das –, also wir alle, die wir politische Verantwortung tragen, durch Anstand, Fleiß, Ehrlichkeit und andere Tugenden Vorbilder für die Familien sein müssen, dann hat er zwar abstrakt recht, subjektiv aber nicht. Denn mit Leuten, die Diademe über die Grenze bringen, diese als Kinderspielzeug betrachten und gleichzeitig dafür eintreten, daß man Kinderkosten von der Steuer absetzen kann, möchte ich nicht gemeinsam Familienpolitik machen. Verstehen Sie mich? (Beifall beim Liberalen Forum und des Abg. Mag. Posch.  – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Der horizontale Ausgleich zwischen den Kinderreichen, den Kinderarmen und den Kinderlosen, den Sie zu Recht einfordern, findet in dieser Gesellschaft statt. Wir haben ein kostenloses Schulwesen, wir haben Schülerfreifahrten, wir haben Lehrmittel, wir haben freien Zugang zu den Universitäten, wir haben halbe Tarife in den Museen und so weiter und so fort.


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