Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 94. Sitzung / Seite 111

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für jedes Kind die Familienbeihilfe in dem Segment der über Neunzehnjährigen auf 3 500 S oder 3 300 S anheben müßten. – Ich sage: Das wäre gut, denn die Familienbeihilfe ist derzeit zu niedrig. Aber es war ja gerade Ihre Politik, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die dazu geführt hat, daß die Familienbeihilfen gekürzt und die Geburtenbeihilfen gestrichen worden sind und daß es keine Valorisierung gegeben hat! Ich will nicht meinen Beitrag von gestern wiederholen, den ich an dieser Stelle gebracht habe, worauf mir Kollege Morak gesagt hat, daß all das nicht stimmt. Offensichtlich hat er sich mit diesen Themen an und für sich nicht beschäftigt und ist dann in der Debatte irgendwie darauf gekommen, daß es doch anders sein könnte, als er glaubt.

Ich verweise noch einmal auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, ich habe es mir sehr genau durchgelesen und bin dabei auf einige interessante Punkte gestoßen. Der Verfassungsgerichtshof – und das war auch meine erste Stellungnahme – hat ein Urteil gefällt, das ein perverses Signal aussendet, und zwar in der Hinsicht, daß dadurch Bezieher von hohen Einkommen begünstigt werden sollen. (Abg. Dr. Lukesch: Das ist falsch!) Wenn man aber das Urteil des Verfassungsgerichtshofes genau durcharbeitet, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß das Problem weniger im Urteil des Verfassungsgerichtshofes liegt als in dem diesem zugrunde liegenden Unterhaltsrecht, das weitgehend ein Richterrecht ist.

Im Unterhaltsrecht steckt die Ungerechtigkeit. Doch wenn Sie tatsächlich Gerechtigkeit schaffen wollen – Sie alle hier auf der Regierungsbank spreche ich damit an –, dann müssen Sie im Unterhaltsrecht etwas machen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich werde Ihnen das anhand einiger Beispiele, die auch im Urteil des Verfassungsgerichtshofes eine Rolle spielen, zu belegen versuchen. Darin kommen einige Begriffe vor, so beispielsweise auch der Begriff Unterhaltsanspruch. Der Unterhaltsanspruch wird in Prozenten ausgedrückt, und zwar abhängig vom Einkommen der Eltern. Da haben wir als erstes das Problem, daß er altersmäßig steigt: Je älter die Kinder, desto höher ist der Prozentanteil. Wir wissen aber auf der anderen Seite – Herr Minister, Sie haben ja vorhin den Verteilungsbericht zitiert –, daß wir in unserem bestehenden System von Familienförderung ein Problem gerade damit haben, daß Ungerechtigkeiten dadurch erzeugt werden, daß die älteren Kinder eindeutig bevorteilt werden. Aber die älteren Kinder sind dann eben nicht alle älteren Kinder, sondern da bleiben nur noch wenige übrig, nämlich jene, die bildungsbereit oder bildungswillig oder wie immer man das ausdrücken will sind und studieren. Diese Kinder bleiben übrig. Doch wir wissen aus der Zusammensetzung der studierenden Jugendlichen, daß das nicht in erster Linie Kinder aus einkommensschwachen Familien sind. Das hat natürlich zur Folge, daß der Unterhaltsanspruch, weil er vom Alter der Kinder abhängig ist, diese Kinder – eigentlich Erwachsenen – begünstigt.

Der zweite Punkt, der im Urteil des Verfassungsgerichtshofes eine Rolle spielt, ist der Regelsatz. Der Regelsatz steigt auch mit dem Alter des Kindes. – Ich stelle bescheiden die Frage, ob es wirklich so ist, daß der Regelsatz bei einem 0- bis 3jährigen mit 1 970 S bemessen werden kann und bei einem 19- bis 28jährigen mit 5 500 S. Wenn ich mir die Lebenssituation der meisten jungen Familien ansehe, dann stelle ich fest, daß sie eher dann Probleme haben, wenn sie eine Familie gründen, denn da entstehen die meisten Kosten, da muß Wohnraum für die Kinder geschaffen werden, da muß eine neue Wohnung gesucht oder ein Zimmer adaptiert werden. Natürlich gibt es bei älteren Kindern auch einen erhöhten Bedarf, aber es gibt immerhin auch – derzeit noch! – kostenlose Leistungen, die die Gesellschaft zur Verfügung stellt: die Bildung, die Hochschule. Erst dann, wenn das kostenpflichtig wäre, würde diese Argumentation zutreffen.

Der dritte Punkt, den ich zu bedenken gebe – der Verfassungsgerichtshof unterstützt diese Argumentation ausdrücklich und übernimmt sie aus dem Unterhaltsrecht –, ist der, daß es im Unterhaltsrecht einen sogenannten Unterhaltsstopp gibt. Das ist für mich ein völlig paradoxes Signal. Der Unterhaltsstopp sagt nichts anderes aus, als daß die Eltern, wenn ihr Einkommen so hoch ist, daß der zweieinhalbfache Regelsatz überschritten wird, trotzdem nicht mehr bezahlen müssen. Es ist mir einsichtig, daß der zweieinhalbfache Regelsatz bei einem 19- bis 28jährigen – das wären 13 000 S bis 14 000 S – eine hohe Summe ist, und ich sehe eigentlich nicht ein – und damit sind wir wieder beim Grundproblem angelangt –, daß ein 19- bis 28jähriger, der


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