Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 98. Sitzung / Seite 151

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fuchs. – Bitte, Frau Abgeordnete.

19.00

Abgeordnete Brunhilde Fuchs (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich möchte auf eine sehr aktuelle Problemstellung eingehen, nämlich auf die flexible Gestaltung des Schuleingangsbereiches, die seit einigen Jahren erfolgreich im Rahmen von Schulversuchen durchgeführt wird, jedoch aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Vorgaben in diesem Schuljahr letztmalig begonnen werden konnte. Leider ist ein Übernahme in das Regelschulwesen im Augenblick noch nicht vorgesehen.

Jedes einzelne Kind tritt zu Beginn der Schulpflicht mit unterschiedlichen Vorerfahrungen, Wünschen und Bedürfnissen in diese neue Lebensphase ein. Die meisten Kinder sind sehr motiviert und leistungsbereit. Aber jedes Kind bringt andere Anlagen, einen anderen Wissens- und Entwicklungsstand, kurz: andere Lernvoraussetzungen, mit. Ziel muß daher sein, den Schuleinstieg so zu gestalten, daß möglichst alle Kinder erfolgreich beginnen können und allen genügend Möglichkeiten geboten werden, ihre körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen in Ruhe und ohne negativen Leistungsdruck zu entwickeln und zur Entfaltung zu bringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Startbedingungen beim Schuleinstieg prägen die weitere Schullaufbahn in bedeutendem Ausmaß. Mit der Übernahme eines flexiblen Modells des Schuleingangs in das Regelschulwesen bestünde die einmalige Möglichkeit, Chancengleichheit auch für jene Kinder anzubieten, die aufgrund unterschiedlicher Zugangsmöglichkeiten zum Bildungssystem bisher nicht alle Angebote nutzen konnten.

Werte Damen und Herren! Ich kann nicht nachvollziehen, daß Kinder mit pädagogischem Sonderbedarf, Kinder mit Behinderungen verschiedenster Art oder Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache, daß all diese Kinder erfolgreich unterrichtet werden können. Und ich betone: erfolgreich!; das hat ja meine Vorrednerin, Frau Kollegin Rauch-Kallat, auch gesagt, und ich kann das wirklich nur bestätigen. Es ist so, daß diese Schulversuche wirklich erfolgreich gewesen sind, es ist also möglich, daß Kinder mit Entwicklungsverzögerungen gemeinsam mit anderen Kindern Unterricht erhalten. Es ist nur schade, daß sie diese spezielle Möglichkeit der Integration noch nicht nützen können.

Die Tatsache, daß für eine große Anzahl von Schulanfängerinnen und Schulanfängern der erste Kontakt mit der Schule mit Enttäuschungen, Frustrationen oder einem Fehlstart verbunden sein kann, beweist, wie wichtig die flexible Form der Schuleingangsphase auch im Hinblick auf eine positive Einstellung für ein später wünschenswertes lebensbegleitendes Lernen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen, daß jährlich 1 700 Kinder mangels sogenannter Schulreife abgewiesen werden. Wir wissen, daß 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler in die bestehenden Volksvorschulklassen zurückgestellt werden. Und wir wissen, daß im Vergleich dazu im Schulversuch der integrativen Form der Schuleingangsphase nur 4,5 Prozent der Schüler drei Jahre lang verbleiben. Wir wissen aber auch, daß bei 60 Prozent der Volksschulen – das gilt vor allem im ländlichen Bereich – gar keine Möglichkeit besteht, Vorschulklassen zu bilden, sodaß dann zumeist eine Rückstellung in den häuslichen Bereich erfolgt und damit die Chance auf eine spezielle Förderung in Frage gestellt ist.

Aufgrund der eben genannten Fakten folgt für mich, daß die Schule reif für die Kinder werden muß und nicht umgekehrt. Die Schule ist nicht mehr ausschließlich für die Wissensvermittlung und auch nicht nur für die Lern- und Leistungsentwicklung zuständig, sondern vielmehr auch für die Persönlichkeitsentfaltung und Entwicklung aller Fähigkeiten und Begabungen. Speziell die Grundschule soll als Lebens- und Lernort gestaltet werden und Erfolgszuversicht und Selbstvertrauen vermitteln.


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