Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 91

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Österreich in der Vergangenheit nur äußerst unzureichend nachgekommen. Wir verdanken, im Gegensatz zur weitverbreiteten und von politischen Gruppen geförderten Meinung, die ,Friedensperiode‘ nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unserer Neutralität, sondern der Abschreckungswirkung des westlichen Bündnisses – der NATO. In dieser Phase der Umwälzungen und der Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Sicherheitssystems hätte Österreich nun erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Chance seine Sicherheitspolitik frei zu gestalten und einen Beitrag zum Aufbau dieser neuen Ordnung zu leisten.

Die Bundesregierung wäre daher in dieser Phase des Umbruchs gefordert, die entscheidenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen zum Wohle unserer Heimat zu treffen. Sie ist aber, wie in vielen anderen Fragen, uneinig und nicht handlungsfähig. Nahezu jeden Tag wird von Mitgliedern der Regierungsparteien ein anderer Standpunkt in Fragen der Sicherheitspolitik vertreten. Aus diesem Grund kommt es auch von seiten der Koalitionsfraktionen zu keiner umfassenden und ehrlichen Diskussion der Sicherheitspolitik im Hohen Haus.

Sowohl die Entscheidungsschwäche der Regierung als auch der Versuch der Diskussionsverhinderung im Parlament (mehrfache Vertagung der Oppositionsanträge) haben dazu geführt, daß die Geschichte Österreich zu überholen droht. Die Entwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur schreitet mit schnellem Schritt voran während die Debatte in Österreich am Stand tritt. Während unsere Nachbarstaaten Ungarn, Tschechien bereits 1999 NATO-Mitglied sein werden und Slowenien an der zweiten Erweiterungsrunde teilnehmen wird, ist es noch unklar ob Österreich im Gegensatz zu vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zumindest assoziierter Partner der parlamentarischen Versammlung der NATO (NAA) ist.

Das offizielle Österreich versucht diese Entwicklung aber immer mehr zu negieren und verwickelt sich dabei in Widersprüche. Man gaukelt der Bevölkerung ein Konzept der österreichischen Sicherheit vor, daß einerseits aus dem Aspekt der Beibehaltung der Neutralität bei gleichbleibend niedrigen Aufwendungen für die Landesverteidigung besteht und andererseits die Vertiefung der GASP im Rahmen der EU-Mitgliedschaft, Teilnahme an ,Petersberg-Missionen‘ und der ,Partnerschaft für den Frieden‘ der NATO vorsieht. Dies bedeutet in der Praxis die Übernahme einer Vielzahl an politischen und militärischen Verpflichtungen, wie etwa die Bereitschaft zu ,Kampfeinsätzen‘ im Ausland und die Übernahme steigender Kosten für diese Maßnahmen, aber keinerlei unmittelbaren Sicherheitsgewinn für Österreich durch den Schutz eines Bündnisses. Mit kurzen Worten: ,viele Pflichten, wenig Rechte‘.

Ein Beitritt zur NATO wird vor allem vom linken Flügel der SPÖ (Fischer, Kostelka und andere) damit abgetan, daß dieser Schritt keinerlei Sicherheitsgewinn für Österreich bedeuten würde. Die Argumente dafür sind mehr als schwach:

durch UNO, EU und OSZE-Mitgliedschaft wären wir vollständig integriert und wirken am Aufbau eines europäischen Sicherheitssystems mit;

die NATO sei ein Militärbündnis und somit ein Instrument des Kalten Krieges, das über keinerlei Konfliktpräventionsmechanismen verfügt;

bei einem NATO-Beitritt würden fremde Soldaten in Österreich stationiert;

die Kosten für die Landesverteidigung würden in der NATO sprunghaft ansteigen;

Österreich müßte als NATO-Mitglied bei bewaffneten Konflikten Soldaten abstellen und

ein Beitritt sei daher mit der Neutralität nicht vereinbar.

Vergessen oder verschwiegen wird dabei, daß:

die Entwicklung eines europäischen Sicherheitssystems durch die EU vorerst noch in den ,Kinderschuhen‘ steckt;


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