Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 67

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Kopfzerbrechen macht mir aber die Situation der deutschsprachigen alt-österreichischen Minderheiten in unseren Nachbarländern, nämlich in Tschechien und in Slowenien. Herr Bundesminister Mock hat richtigerweise ausgeführt, daß Kroatien nach seinem Selbständigwerden, an der Dr. Mock, aber auch Österreich insgesamt maßgeblich mitbeteiligt waren, die AVNOJ-Bestimmungen für den Staatsbereich von Kroatien außer Kraft gesetzt hat – etwas, was Slowenien bis heute nicht getan hat.

Wir Freiheitlichen stoßen mit unserer Haltung in der Bundesregierung oftmals auf Unverständnis, was mir wieder Anlaß zur Frage gibt, warum eigentlich die Bundesregierung ihre eigenen Gutachten, die sie im Rahmen des Außenministeriums hat erstellen lassen, einfach negiert. Tatsache ist, daß die slowenische Verfassung 1990 in Kraft getreten ist und daß Slowenien beim Beschluß der Denationalisierungsgesetze 1991 die AVNOJ-Bestimmungen der deutschsprachigen Volksgruppe gegenüber – trotz Inkraftsetzung der neuen Verfassung von 1990! – wieder angewandt hat. Es ist also daher nicht so, daß die AVNOJ-Bestimmungen totes Recht in Slowenien wären, sondern Slowenien hat – und das ist für mich das Bedenkliche – nach Inkrafttreten der Verfassung von 1990, die ausdrücklich drei Volksgruppen mit privilegiertem Recht vorsieht, nämlich jene der Ungarn, der Italiener und jene der Sinti und Roma – letztere wird nur mit "Roma" bezeichnet –, gegenüber der alt-österreichischen deutschsprachigen Minderheit die alten AVNOJ-Bestimmungen von 1943 im Rahmen der Denationalisierung wieder in Kraft treten lassen. (Präsident Dr. Brauneder übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube daher, wenn man sich die AVNOJ-Bestimmungen durchsieht und dort das Organisationsrecht in Kulturvereinigungen allein schon ausreichend ist, um die Bürgerrechte zu verlieren, daß das Übereinkommen in kultureller Hinsicht, das Österreich heute mit Slowenien abschließen will oder vielleicht abschließen kann – man weiß es ja aufgrund der Äußerungen des slowenischen Parlaments nicht, wie Sie mir recht geben werden, Frau Kollegin Gredler, ob es überhaupt jemals dazu kommt, was Frlec in Wien versprochen hat –, doppelt kritisch ist.

All diese Gesetze sind nur dann notwendig, wenn sie im Streitfall, im Krisenfall funktionieren. Wenn im Streit- oder Krisenfall mit Slowenien wieder die alten AVNOJ-Bestimmungen die Verfassung overrulen, also außer Kraft setzen, und dann jene in den neugegründeten Kulturvereinen wieder Haus und Hof und die Bürgerrechte verlieren, dann ist das Kulturabkommen kein Fortschritt, sondern unter Umständen wieder eine neue Gefahr für diese Volksgruppe, für diese 1 800 Menschen, die sich bei der Volkszählung 1990 in Slowenien als Alt-Österreicher deklariert haben.

Ich glaube auch, daß daraus hinsichtlich der bilateralen Verhandlungen mit Slowenien für Österreich eine klare Conclusio zu ziehen ist: Diese Verhandlungen sind so zu führen, wie sie die Italiener geführt haben, nämlich mit aller, auch drastischen Härte auf internationaler Ebene, und zwar so lange, bis die Minderheitenrechte tatsächlich in Slowenien für alle Volksgruppen umgesetzt sind – und nicht nur für jene, die derzeit von der Verfassung her privilegiert werden.

Für mich und meine Fraktion ist es unverständlich, daß offensichtlich jeder in Europa alle Minderheiten- und Menschenrechte genießt, nur die deutschsprachigen alt-österreichischen Minderheiten im Fall von Slowenien in einem nur sehr geringen Maße – und im Fall der Tschechischen Republik überhaupt nicht genießen können.

Ich verlange daher für meine Fraktion, daß in den bilateralen Verhandlungen als erstes darauf gedrängt wird, daß sowohl die Beneš-Dekrete als auch die AVNOJ-Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden, denn erst dann stellt sich meiner Ansicht nach eine vollinhaltliche Umsetzung des heute von uns hier zu ratifizierenden Rahmenübereinkommens für diese beiden Staaten dar. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.05

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Wittmann. – Bitte, Herr Staatssekretär.


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