Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 114. Sitzung / Seite 10

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Das reicht zwar nicht aus, daß die Liberalen dieser Materie die Zustimmung geben, aber es ist immerhin ein Vorteil. Allerdings werden Sie früher, als Ihnen lieb ist, die Quittung von den europäischen Gerichten und vom österreichischen Verfassungsgerichtshof ausgestellt bekommen. Dann werden Sie sich sehr wundern, denn dann werden Sie diese eine Milliarde, die Sie sich gerade erspart zu haben glaubten, doch ausgeben müssen. Außerdem werden Sie sich vorher noch zwei- bis dreimal bei den europäischen Gerichten blamieren, denn Europarechtswidrigkeit ist zwar nicht das sozialpolitisch wichtigste, aber das peinlichste Vergehen. Damit kollidiert man nämlich völlig mit der Freizügigkeit innerhalb der EU.

Jetzt nenne ich Ihnen ein Beispiel aus meiner unmittelbaren Umgebung: Mein Bruder ist österreichischer Staatsbürger, aus Graz, mit einer Grazerin verheiratet. Er lebt und arbeitet seit 1959 in Köln. Er hat sich in der Bundesrepublik nicht einbürgern lassen, denn er ist ganz bewußt Österreicher, vergnügt und munter. Er hat vier Kinder, alle sind in Köln geboren. Und sie haben Pech gehabt, denn sie sind österreichische Staatsbürger. Sie haben dort die Schulen besucht, einer studiert in Köln, und eine hat in Graz studiert. Das reicht aber nicht, denn sie war zu schnell mit dem Studium fertig, das war nicht die halbe Ausbildungszeit. Was soll man nun machen? Sie fällt durch Ihren neuen § 34 vollkommen durch! Das ist vielleicht ein seltener Fall, aber immerhin! Wir predigen Mobilität, und wir wundern uns, daß unsere jungen Leute nicht als Beamte zu den europäischen Behörden nach Brüssel gehen. – Die werden sich hüten! Denn dann kommt dort womöglich ein Kind auf die Welt, das dann im Ausland geboren ist und das überhaupt nicht mehr zu dem Gesetz paßt. Verstehen Sie mich? Das Kind paßt nicht mehr zu dem Gesetz! (Abg. Dr. Graf: Ist es arbeitslos?) Ich spreche von der potentiellen Möglichkeit.

Wenn Sie eine Regelung schaffen, in der Sie plötzlich den Geburtsort zum archimedischen Punkt der Sozialpolitik machen, dann frage ich Sie: Warum machen Sie das bei der Staatsbürgerschaft nicht? Da würde es mir gefallen. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.) Aber bei der Staatsbürgerschaft treffen Sie diese Regelung nicht, denn das würde bedeuten, daß man einen anderen Zugang zur Integration hat und sich von dieser historischen biologistischen Abstammungstheorie, die in unserem Staatsbürgerschaftsrecht eingebaut ist, lösen müßte. – In der Sozialpolitik gilt plötzlich ius soli, bei der Staatsbürgerschaft jedoch ius sanguinis. Das paßt nicht zusammen! Sie haben den Überblick über die Zusammenhänge in der Rechtsordnung verloren! Das möchte ich auch gesagt haben.

Daher ist heute insofern ein sehr angenehmer Tag, weil wir die Gelegenheit haben, Ihnen im Rahmen einer aufgrund des Pfusches, den Sie gemacht haben, ausschließlich diesem Thema gewidmeten Sitzung vorzuführen, daß Sie nicht mehr in der Lage sind, eine einigermaßen vernünftige und plausible Politik zu machen. Und wenn Sie dann etwas machen, wenn Sie sich zu etwas durchringen, wie etwa zu diesem neuen § 34 Abs. 2 des alten Gesetzes, dann fegt Ihnen das der Verfassungsgerichtshof hinweg. Für die Kenner füge ich hinzu, daß wir vorübergehend zwei §§ 34 hatten: den einen, der bis vor kurzem gegolten hat und den Ihnen der Verfassungsgerichtshof hinweggefegt hat, und den neuen, den Sie nun frühzeitig in Kraft setzen – Reparatur! –, den er Ihnen erst hinwegfegen wird. Also es ist Ihnen gelungen, in einem Gesetz zwei §§ 34 zu verpacken, die in der Reihenfolge ihres Inkrafttretens vom Verfassungsgerichtshof hinweggefegt werden. Ich gratuliere zu dieser Regierungsarbeit! Seien Sie stolz darauf!

Und dann dieses Gejammer, daß Sie nicht damit rechnen konnten, daß der Verfassungsgerichtshof Ihnen keine Frist geben wird! Verzweiflung! Der Verfassungsgerichtshof hätte uns für die Reparatur doch eine Frist geben müssen! Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eine 18monatige Frist erbeten. Eine 18monatige Frist! – Kommt Ihnen das so ähnlich vor wie 1. Jänner 2000? Gibt es da eine Ähnlichkeit? Man hat also noch die Stirn gehabt, vom Verfassungsgerichtshof eine Reparaturfrist zu erbitten, die so lange ist, daß man nichts mehr reparieren hätte müssen, weil am 1. Jänner 2000 ohnedies das, dessen Inkrafttreten Sie heute vorverlegen, in Kraft getreten wäre! Das, bitte, kann selbst der gutmütigste Verfassungsgerichtshof nicht mehr als ernstzunehmende Verhaltensweise betrachten. – Punkt eins.


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