Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / 55

Entsprechend der nun vorliegenden Arbeitskarte befanden sich bis zum Unglück noch nicht mit Magerbeton verfüllte Hohlräume in dieser Scheibe. Während der Rettungsarbeiten ist diese Karte den Einsatzkräften nicht vorgelegen.

Ich habe noch gestern abend die Staatsanwaltschaft Leoben per Fax und Brief umgehend von dieser neuen Sachlage in Kenntnis gesetzt. Ebenso wurde in meinem Auftrag vom Präsidialchef des Wirtschaftsministeriums eine disziplinarrechtliche Untersuchung gegen die Behörde erster Instanz, die Berghauptmannschaft Leoben, eingeleitet.

Die Beauftragung der von mir bereits unmittelbar nach dem Bergunglück angekündigten internationalen Untersuchungskommission ist bereits am 17. August 1998, also Tage vor dem Ministerrat am 20. August, erfolgt. Die Kommission wird von Herrn Dipl.-Ing. Eggehard Rother von der Europäischen Kommission, Direktion "Sicherheit und Gesundheitsschutz", die auch für bergbauliche Belange zuständig ist, geleitet. Er wurde vom Wirtschaftsministerium um eine Prüfung der Rettungsarbeiten, aber auch der Vorkehrungen im Vorfeld des Unglücks ersucht. Herr Dipl.-Ing. Rother hat in der Zwischenzeit eine Expertenkommission nominiert, der die Herren Hans Ambos, Präsident des Oberbergamtes Clausthal-Zellerfeld in Deutschland, Herr Louis Koch, Président de la section technique du Conseil des Mines in Frankreich, Herr Professor F. L. Wilke vom Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld und Herr Dipl.-Ing. Röhl, der Leiter der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen in Deutschland, angehören. Herr Ing. Dr. Rother wurde gebeten, möglichst noch im Laufe des Herbstes einen ersten Zwischenbericht vorzulegen.

Hohes Haus! Das Vorliegen der jetzigen Erkenntnisse über den genehmigungswidrigen Abbau hätte die anfänglichen Erklärungsversuche über den Hergang und die Ursache des Unglücks erleichtert, hätte jedoch nichts an der schwierigen Rettungssituation geändert.

Meine Damen und Herren! Ich bekenne mich nach wie vor dazu, daß wir den Angehörigen der verunglückten Bergleute und der österreichischen Öffentlichkeit eine lückenlose Aufklärung aller Vorgänge schuldig sind. Das Grubenunglück von Lassing vom 17. Juli 1998 hat zehn Bergleuten das Leben gekostet. Nur ein Mann, Georg Hainzl, konnte lebend aus der Grube geborgen werden. Für die Angehörigen und Freunde der im Bergwerk verbliebenen zehn Männer können wir nur Worte des Mitgefühls finden und alle unsere Kraft einsetzen, um ihren Schmerz zu lindern und sie zumindest materiell abzusichern. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Aber auch Georg Hainzl gilt mein persönliches Mitgefühl. Er wird vermutlich lange Zeit brauchen, um dieses traumatische Erlebnis zu verkraften. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Ich möchte Ihnen heute darüber Rechenschaft ablegen, was ich als ressortzuständiger Minister an Maßnahmen gesetzt habe. Ich kann Ihnen jedoch auch heute nicht Auskunft darüber geben, welche Ursachen insgesamt zu diesem Unglück geführt haben und ob alle Beteiligten unter den gegebenen Umständen in jedem Moment die richtige Entscheidung getroffen haben. Dies zu klären ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und der internationalen Expertenkommission. Deren Beurteilung des Verlaufs der Rettungsmaßnahmen und der Sicherungsmaßnahmen, die im Vorfeld der Katastrophe gesetzt wurden, wird hoffentlich Klarheit in den noch offenen Fragen bringen.

Meine Damen und Herren! Ich wurde seit dem Unglücksfall immer wieder mit der Behauptung des Vorliegens chaotischer Zustände am Beginn der Rettungsphase konfrontiert. Lassen Sie mich dazu einige notwendige Klarstellungen treffen.

Als am 17. Juli zu Mittag der erste Schlammeinbruch stattfand, bei dem Georg Hainzl verschüttet wurde, versuchten Mitarbeiter der Obersten Bergbehörde unaufgefordert, möglichst rasch vor Ort zu sein, um helfen zu können. Univ.-Doz. Dr. Leopold Weber von der Obersten Bergbehörde, der sich im Auto auf dem Weg nach Wien befand, hörte im Radio vom Unglück und kehrte am Semmering um, um sofort nach Lassing zu fahren. Dipl.-Ing. Herbert Fagerer wurde von Herrn Weber am Nachmittag des 17. Juli in Salzburg kontaktiert und befand sich am späten Nachmittag ebenfalls am Unglücksort. Auch der Pumpenspezialist Dipl.-Ing. Josef Schöggl von der HL-AG wollte direkt vor Ort helfen und erreichte Lassing am Freitag gegen 19 Uhr. Dipl.-Ing. Mag. Alfred Maier, der sich mit seiner Familie auf dem Weg in den Urlaub in Kärnten befand, traf am Samstag gegen 3 Uhr früh in Lassing ein.


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