Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 138. Sitzung / 56

Sie alle – bis auf Maier, der erst nach dem großen Einbruch eintraf – fuhren am Nachmittag des 17. Juli zum Teil mehrmals in die Grube ein, um die Bewegung der Schlammassen und die Wasserhaltung zu kontrollieren. Diese Arbeiten, meine Damen und Herren, wurden vom Betrieb bereits vor dem Eintreffen der Bergbehörde entsprechend dem betrieblichen Notfallplan eingeleitet und erfolgten daher in eigener Verantwortung und nicht auf Anordnung der Bergbehörde.

Die Errichtung einer Notwasserhaltung war aus Sicht der Fachleute deswegen dringend notwendig, da ein unkontrollierter Anstieg des Wassers zu einer Flutung der sogenannten Jausenkammer hätte führen können, was den Ertrinkungstod des dort befindlichen Georg Hainzl verursachen hätte können.

Wie auch später kritisiert wurde, fehlte in den ersten Tagen eine klare Organisationsstruktur. Das Berggesetz, meine Damen und Herren, sieht vor, daß im Krisenfall der Betriebsleiter des Unternehmens das Rettungswerk leitet, wobei die Bergbehörde Anordnungen für die Sicherheit treffen muß, sofern sie dies für notwendig erachtet. Im konkreten Fall Lassing, wo fast die Hälfte der Belegschaft durch das Unglück unter Tag eingeschlossen war und die Betriebsleitung nachweislich unter Schock stand, war das Unternehmen mit dieser Aufgabe eindeutig überfordert.

Ich wurde von den diesbezüglichen Schwierigkeiten vor Ort informiert und konnte mich ja auch selbst vor Ort davon überzeugen. Ich bestellte am 21. Juli Dipl.-Ing. Mag. Alfred Maier von der Obersten Bergbehörde zum Einsatzleiter. Bis zur Übertragung der Verantwortung für die Bergungsarbeiten an die Naintscher Mineralwerke per Bescheid vom 15. August lag die Verantwortung für die Rettungsarbeiten damit direkt bei der Obersten Bergbehörde im Wirtschaftsministerium, welche namens der Berghauptmannschaft Leoben einschritt.

Der in der Öffentlichkeit oft erhobene Vorwurf, es sei in Lassing "drunter und drüber" gegangen, bedarf aus meiner Sicht auch einiger Klarstellungen über die Ursachen, die diesen Eindruck herbeiführten.

Erstens: Die in der Anfangsphase unkoordinierte Pressearbeit, die sich die Betriebsleitung ausdrücklich vorbehalten hatte, gab viele Anlässe zu Mißtrauen. Erst nach Übernahme der Verantwortung durch die Oberste Bergbehörde wurde eine regelmäßige Pressebetreuung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten sichergestellt.

Zweitens: Die nicht vom Wirtschaftsministerium zu verantwortende Beiziehung von Medienvertretern zu Einsatzleiterbesprechungen in der Anfangsphase, bei denen unterschiedliche Meinungen von Experten zum Teil sehr emotionell aufeinanderprallten, hat entscheidend zu dem Eindruck beigetragen, es herrsche Chaos.

Drittens: Es herrschte von Beginn an wenig öffentliches Verständnis dafür, daß in Lassing nicht alle Gerätschaften lagernd waren, die in einem solchen außerordentlichen Unglücksfall eingesetzt werden müssen. Ebenso gab es anfänglich kein Verständnis dafür, daß die für die Bergung notwendigen Bohrgerätschaften individuell angefordert wurden und daß für Bohrungen dieser Art üblicherweise mehrere Wochen notwendig sind. Externe Fachleute wie Herr Ing. Abraham von der OMV haben mehrmals betont, daß die nicht immer einfache Gerätebeschaffung zu keinen wesentlichen Verzögerungen geführt hat.

Viertens: Ich konnte mich selbst durch die Anwesenheit bei mehreren Einsatzleiterbesprechungen – dann unter Ausschluß der Medien – von der strukturierten und sachbezogenen Vorgangsweise der Einsatzmannschaft überzeugen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte noch genauer auf meinen Verantwortungsbereich eingehen und Ihnen die bereits eingeleiteten Maßnahmen erläutern. Dabei habe ich von Anfang an fünf Aufgabenbereiche für meine Tätigkeit definiert: erstens: Rettung beziehungsweise Bergung der Vermißten; zweitens: Hilfe für die Angehörigen; drittens: Hilfe für die Anrainer; viertens: Sicherung der Arbeitsplätze in Lassing, fünftens: Sicherung der Zukunft des Tales.

Oberste Priorität hatte von Anfang an die Rettung beziehungsweise Bergung der vermißten Bergleute. Ich möchte betonen, daß ich trotz aller von Experten geäußerten Skepsis über die


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