Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 90

sprechen von 200 000 Menschen, die ihr angehören. Diese Volksgruppe ist nicht als solche anerkannt. Es kommen ihr keinerlei Rechte zu. Null Rechte! – Das ist der zweite Faktor.

Faktor Nummer eins: die menschenrechtswidrigen, insgesamt rechtswidrigen Beneš-Dekrete. Faktor Nummer zwei: Minderheiten – zumindest jene, die uns angehen, für die wir uns als Schutzmacht verstehen – ohne auch nur die mindesten Rechte.

Ein Sprung nach Slowenien: Was in der Tschechischen Republik die Beneš-Dekrete sind, sind in Slowenien die AVNOJ-Bestimmungen. Ich darf wieder etwas daraus vorlesen: "Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Beschlusses gehen in das Eigentum des Staates über: sämtliches Vermögen von Personen deutscher Volkszugehörigkeit."

Nächste AVNOJ-Bestimmung: "Eine Konfiskation von Vermögen ist die zwangsweise, entschädigungslose Wegnahme des gesamten Vermögens, welches persönliches Eigentum oder der persönliche Anteil an gemeinsamem Vermögen von anderen Personen ist, zugunsten des Staates", konkret von Personen deutscher Volkszugehörigkeit.

Wie schaut es mit den Rechten der Minderheiten im Staatsgebiet von Slowenien aus? – In der slowenischen Verfassung ist ursprünglich vorgesehen gewesen, daß als Volksgruppen anerkannt und mit entsprechenden Rechten ausgestattet werden die Italiener, die Ungarn, die Altösterreicher deutscher Zunge und, wenn auch bedauerlicherweise nur in abgeschwächter Form, die Roma und Sinti. Geblieben sind die Italiener, die Ungarn und die Roma und Sinti. Die Altösterreicher deutscher Zunge, deren Existenz mittlerweile in einem Gutachten des renommierten Universitätsprofessors Karner festgestellt worden ist – ein Gutachten, das über Auftrag der österreichischen Bundesregierung erstellt wurde –, verfügen über keinerlei Rechte, sind auch nicht entsprechend anerkannt.

Also wie in der heutigen Tschechischen Republik auch in Slowenien Rechtsgut, das den Voraussetzungen der Menschenrechte in keiner Weise entspricht: hier die Beneš-Dekrete, dort die AVNOJ-Bestimmungen; und ein Umgang mit Minderheiten und deren Rechten, der den Anforderungen, die die Europäische Union an beitrittswillige Staaten stellt, ebenfalls nicht entspricht, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Jetzt befinden wir uns in der Phase, unmittelbar bevor es mit den Beitrittsverhandlungen ernst wird. Wir alle wissen, daß die nächsten diesbezüglichen Gesprächstermine noch im Oktober dieses Jahres stattfinden werden, und im darauffolgenden Monat November wird es dann ganz intensive Verhandlungen geben. Angesprochen auf die gegenständliche Problematik – oder auch unaufgefordert –, lassen sich Spitzenrepräsentanten der Republik Österreich, nämlich unter anderen der hochverehrte Herr Bundespräsident, aber auch der Bundeskanzler und vor allem auch Außenminister Schüssel, dahin gehend vernehmen, daß es sich bei derselben nur um bilaterale Fragen handle und daß bilaterale Fragen auch nur bilateral ausgetragen werden sollten. – Dem kann ich, vor allem auch als Jurist, nur mit aller Entschiedenheit widersprechen! Probleme der Menschenrechte, des Schutzes und der Anerkennung von Minderheiten, der Ausstattung von Minderheiten mit Volksgruppenrechten sind niemals bilaterale Probleme! Diese Probleme gehen die gesamte Gemeinschaft an, im konkreten Fall die Europäische Gemeinschaft und jeden Staat und jeden Bürger innerhalb dieser Gemeinschaft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Denn das Recht ist unteilbar, Rechte sind unteilbar, und die Menschenrechte sind unteilbar. (Neuerlicher Beifall bei den Freiheitlichen.) Man kann sich nicht einen Teil herauspicken und sagen: Das geht den Rest Europas nichts an! Das ist ausschließlich Sache der Österreicher. Wir nehmen das nicht so wichtig, wie es sich der eine oder andere vielleicht wünschen würde. Wir machen uns das schon mit den Betreffenden selbst aus. – Herr Außenminister! Das geht nicht! Die Problematik der Verletzung der Menschenrechte in der Tschechischen Republik und in Slowenien, die Mißachtung der Rechte der Minderheiten auf dem Gebiet dieser Staaten sind keine bilateralen Probleme! Das sind Probleme, die uns in Europa und – darüber hinaus, wie ich behaupte – alle angehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Man muß sich vorstellen, was das im Fall, daß beide Staaten unter Beibehaltung dieser menschenrechtswidrigen Regelungen Mitglieder der Europäischen Union werden sollten, für die


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