Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 93

Zur Frage 1:

In den Schlußfolgerungen des Europäischen Rats von Luxemburg vom Dezember vorigen Jahres heißt es im Punkt 25 wörtlich:

"Die Einhaltung der politischen Kriterien von Kopenhagen stellt eine unabdingbare Voraussetzung für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen dar." – Damit sind ganz klar die Menschenrechte, die Minderheitenrechte, das Bekenntnis zur Demokratie, zur Marktwirtschaft et cetera angesprochen.

In der Beurteilung durch die Kommission hinsichtlich jener fünf mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten, mit denen die Europäische Kommission die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen empfohlen hat – und Tschechien und Slowenien gehören dazu –, wird gleichlautend festgestellt:

"Aufgrund der von ihr durchgeführten Analyse ergibt sich für die Kommission, daß der jeweilige Staat" – Slowenien und die Tschechische Republik sind inbegriffen – "über die Merkmale einer Demokratie mit stabilen Institutionen verfügt, die die rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und die Achtung der Minderheiten und ihren Schutz gewährleisten."

Im Bericht des Vorsitzes – damals Luxemburg – an den Europäischen Rat heißt es, daß die Bewertung durch die Kommission "eine gute Gesamtanalyse der Lage der einzelnen Bewerberländer im Licht der vom Europäischen Rat in Kopenhagen festgelegten Beitrittskriterien" beinhaltet. – Diese Feststellung ist übrigens auch wörtlich in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Luxemburg enthalten.

Zur Frage 2:

Diese Frage ist so einfach nicht zu beantworten, wenn man ganz ehrlich ist. Denn man kann die heutige junge slowenische Republik nicht verantwortlich machen für Rechtsakte, die nach meiner Überzeugung absolut nicht ... (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner.) Darf ich meine Antwort doch zusammenhängend vortragen? Man kann und darf die heutige junge demokratische slowenische Republik nicht für einmalige Rechtsakte verantwortlich machen, die in der sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien festgelegt wurden. (Abg. Dr. Haider: Die werden ja jetzt aufrechterhalten! Das ist geltendes Recht!) Man kann die heutige Tschechische Republik nicht verantwortlich machen für die Setzung von Rechtsakten der damaligen Tschechoslowakischen Republik. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Bevor Sie sich ungeheuerlich aufregen, obwohl es eine sachliche Feststellung ist, zitiere ich Ihnen jetzt ... (Abg. Mag. Stadler: Das ist schlicht und einfach falsch! – Abg. Dr. Haider: Das ist eine Frechheit!) Bevor Sie jetzt sagen, daß das eine Frechheit oder was immer ist, zitiere ich Ihnen einen, wie ich meine, unverdächtigen Zeugen, nämlich Universitätsprofessor Karl Zemanek, die Autorität auf dem Gebiet des Völkerrechts, dem sicherlich auch Anwalt Ofner jederzeit wird zustimmen können. Ich bringe ein wörtliches Zitat aus einem Gutachten, das Ende September dieses Jahres fertiggestellt wurde. (Abg. Dr. Haider: Klar, er hat im Auftrag der Regierung ein Gutachten verfaßt!) Was soll denn diese Unterstellung jetzt schon wieder, daß ein Gutachter nur deswegen, weil er einen Auftrag bekommt, eine wichtige Frage zu behandeln, ein Gefälligkeitsgutachten macht? Lassen Sie doch diese Peinlichkeiten, Herr Kollege Haider! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Zemanek stellt wörtlich fest: "Da die gegebenenfalls zu behauptende Völkerrechtswidrigkeit aus einmaligen Akten in der damaligen Zeit entstanden wäre, wäre sie ausschließlich von deren Autor der untergegangenen sozialistischen Bundesrepublik Jugoslawien zu verantworten." (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Ich zitiere Ihnen ein absolut unverdächtiges Gutachten. (Abg. Mag. Stadler: Die Tito-Beschlüsse werden vom österreichischen Außenminister verteidigt, das ist ja unglaublich! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen. – Präsident Dr. Brauneder gibt das Glockenzeichen.) Wenn das Hohe Haus an der Beantwortung interessiert ist, dann setze ich gerne fort.


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