Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 141. Sitzung / 103

Seine Bemerkung, wonach man Sudetendeutsche auch mit Kommunisten oder Nationalsozialisten vergleichen könne, hat Zeman mittlerweile zurückgenommen, und das möchte ich auch anerkennen. Er hat erklärt, daß diese Art der Interpretation nicht zulässig gewesen sei. Es ist aber – und da möchte ich die Äußerungen des Herrn Vizekanzlers unterstreichen – festzuhalten, daß der tschechische Staatspräsident Havel erklärt hat, daß die Vertreibung von 3,5 Millionen Sudetendeutschen aus Böhmen und Mähren nach dem Zweiten Weltkrieg moralisch zu verurteilen ist. (Abg. Jung: Da werden die Bayern Druck ausgeübt haben!)

Ich halte das deshalb für eine bemerkenswerte Äußerung, weil sie zeigt, daß in Tschechien sehr wohl auch anders gedacht wird als nur in dem Sinn, wie Zeman das ausgedrückt hat. Das ist ein positiver Anfang, auf dem wir aufbauen müssen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Graf: Havel hat das dann wieder abgeschwächt! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Dritte Bemerkung: Was ist für die Vertriebenen und ihre Nachfahren heute in Österreich wichtig? – Ich habe aus vielen Gesprächen, die ich auch mit Vertretern von Vertriebenen-Verbänden geführt habe, den Eindruck, daß nicht die vermögensrechtliche Frage im Mittelpunkt steht – da gibt es natürlich auch einiges zu besprechen, aber das ist nicht die zentrale Frage –, sondern die zentrale Frage ist, daß anerkannt wird, daß diese Beneš-Dekrete Unrecht waren und daß es auch ein Unrechtsbewußtsein bei jenen gibt, die dafür verantwortlich waren beziehungswiese heute als Nachfolger verantwortlich sind. (Abg. Aumayr: Wenn es nach wie vor besteht, wie kann man dann anerkennen, daß es Unrecht ist?) Das sind jene zwei Richtlinien, nach denen unsere Handlungsanleitung für Österreich erfolgen sollte.

Ich komme damit zu meinem vierten Punkt: Was soll diese Handlungsanleitung im Sinne von Unrecht feststellen und Unrechtsbewußtsein erzeugen sein? Ich glaube, daß der erste Besuch von Bundespräsident Klestil in Tschechien im September einen ersten Anstoß zu dieser Havel-Äußerung gegeben hat. Ich glaube, daß es der Herr Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, der mit allen, die er aus Tschechien hier in Österreich als Gesprächspartner hat, weiterhin auf jeder Agenda sozusagen draufhaben muß, daß wir in Österreich in dieser Frage erwarten, daß in Tschechien eine Bewegung entsteht.

Ich glaube auch, daß diesbezüglich auf Parteiebene viel getan werden kann. Wir von der Österreichischen Volkspartei haben jedenfalls mit unseren bürgerlichen Partnerparteien in Tschechien dazu einen Dialog im April dieses Jahres in Prag aufgenommen. Wir laden sie jetzt im Herbst nach Wien ein, und wir werden das wieder besprechen. Ich kann dazu nur sagen, daß es für mich jedenfalls bemerkenswert war, daß es dort Politiker gibt, die sich einen Schwenk in ihrer bisherigen Haltung durchaus vorstellen können. Es müßte auch dazu kommen, daß man zumindest symbolhaft auf dieses Unrecht, das damals geschehen ist, von tschechischer Seite aus eingeht.

Ich meine auch, daß die Expertengruppe im Sinne einer Historikerkommission von Tschechien und Österreich gemeinsam zu einer Aufarbeitung dieser Geschichte sehr viel Fundamentales beitragen kann. Diese Arbeit ist vielleicht nicht von diesem Hickhack, von dieser Art und Weise der Schwarzmalerei belastet.

Ich komme zu meinem fünften und letzten Punkt: Was ich nicht haben will und wofür ich auch nicht stehen kann, ist, daß diese Polarisierung dahin gehend gesehen wird, daß man ja nur ein Veto einlegen müßte, wenn Tschechien oder Slowenien der Europäischen Union beitreten wollen.

Meine Damen und Herren! Denken wir das doch ganz konsequent durch: Österreich würde so verhindern, daß Slowenien und Tschechien der Europäischen Union angehören. Sollen wir dann sagen: Und jetzt müßt ihr mit der Aufarbeitung des Unrechts beginnen, jetzt müßt ihr euer Unrechtsbewußtsein schärfen!? (Abg. Aumayr: Das ist eine Folge!) Glauben Sie wirklich, meine Damen und Herren von den Freiheitlichen, daß das die Folge wäre? – Ganz im Gegenteil: Der Nationalismus würde in diesen Ländern erwachen. Vielleicht ist das auch von Ihnen durchaus einkalkuliert, aber wir von der ÖVP können uns dazu wirklich nicht verstehen. Ich hielte es für


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