Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 40

Es ist dies heute eine wichtige Initiative. Die Frau Ministerin wird quasi ermächtigt, etwas zurückzugeben, was noch vorhanden ist. Ich glaube, daß das ein entscheidendes Symbol ist, und ich meine, man sollte sowohl der Frau Ministerin Gehrer als auch dem Herrn Minister Edlinger danken dafür, daß sie mit diesem Thema so sensibel umgegangen sind und daß sie es wirklich geschafft haben, die Diskussion, die es darüber gegeben hat, in einer sehr sinnvollen und würdigen Weise zu bestehen.

Wir sollten, wenn wir dieses Thema heute hier zu diskutieren haben, auch hinzufügen, daß wir mit der Einrichtung des Nationalfonds einen ganz, ganz wesentlichen Schritt gesetzt haben, daß es hier wirklich gelungen ist, bei den Opfern durch diese Einrichtung so etwas wie Vertrauen zu bewirken, daß dieser Nationalfonds eine gute Arbeit geleistet hat, sehr verantwortungsvoll agiert hat und die nötige Sensibilität gehabt hat, um diese schwierige Aufgabe zu bewältigen. Daher ist er auch die richtige Einrichtung, um weitere Aufgaben im Zuge dieser gesetzlichen Initiativen, die wir heute zu setzen haben, zu übernehmen. Man sollte aber Mißverständnissen vorbeugen, daß es hier nicht darum geht, sich irgendwelche Budgetmittel zu ersparen, wenn man aus diesen Erlösen, die dem Nationalfonds zufließen sollen und die er dann einem erweiterten Opferkreis weiterzugeben hat, sondern das sind neue Bereiche, das wird getrennt vom bisherigen Budget zu bedienen sein. Es ist wichtig, auch das einmal in aller Deutlichkeit hier auszusprechen.

Was die Aufarbeitung dessen, was damals passiert ist, angeht, gilt besonderer Dank auch Herrn Bundeskanzler Vranitzky, der eigentlich einer der ersten war, die deutliche Worte zur Rolle von Österreichern in der Zeit des Nationalsozialismus gefunden haben.

Auch wenn es 50 Jahre später ist, es ist heute ein wichtiger Tag, ein historisch bedeutender Tag, daß wir diese gesetzliche Initiative hier gemeinsam einbringen. Man sollte jedoch den jetzigen Generationen, den jetzigen jungen Menschen nach wie vor bewußtmachen, was damals geschehen ist und wie man damals damit umgegangen ist.

Es wird immer der Begriff "Arisierung" in diese Diskussion beziehungsweise in die Aufarbeitung der Ereignisse von damals eingebracht. – In Wirklichkeit war das eine brutale Enteignung aus rassistischen und politischen Überlegungen und Gründen. Dieser Begriff ist ein wenig verharmlosend, weil er ein technokratischer Fachbegriff ist: Aha, "Arisierung"; na, es wird schon seinen Grund haben, wenn man da eben "arisiert" hat, wenn man da jemanden enteignet oder jemandem sein Eigentum abgepreßt hat.

Ich denke, daß es ganz wichtig ist, wenn immer wieder neu in die Diskussionen einfließt und immer wieder neu dargestellt wird, was der Hintergrund war, um zu immunisieren, wenn es wieder politische Strömungen und politische Auffassungen gibt, die als Grundlage ihrer Politik den Rassismus haben, die als Grundlage ihrer Politik die Minderheitenfeindlichkeit, die Gewalt bei der Ausweitung sogenannter Lebensräume, wie das damals geheißen hat, haben, die als Grundlage ihrer Politik damals den Angriffskrieg gewählt haben, die Unterdrückung, die Abschaffung der Demokratie, die Einrichtung von Konzentrationslagern, bis hin – ich sage das auch hier – zur Zwangsarbeit.

Das alles sind Elemente, die Bestandteil eines ganzen Systems, eines geschlossenen, ganzheitlichen Denkgebäudes sind, wofür eben der Nationalsozialismus gestanden ist. Und da hat es nach 1945 natürlich oft Überlegungen gegeben, aus einer Art innerem Opportunismus, innenpolitischem Opportunismus heraus: Wie geht man mit den ehemaligen Nationalsozialisten um, wie stellt man sich ihnen? Sie waren ja natürlich nicht wenige, und natürlich waren sie auch ein Faktor im Zusammenhang mit Wahlentscheidungen und Wahlauseinandersetzungen. Deshalb hat es nach 1945 den ungustiösen Konkurrenzkampf auch um diese Wählergruppen gegeben. Die Stimmungen und dieses Nichtaufarbeiten und Nichtverarbeiten dessen, was es noch an nationalsozialistischem Gedankengut in den Köpfen der Menschen damals gegeben hat, waren vielleicht mit ein Grund dafür, daß man einfach keine Lösungen gefunden hat, Lösungen, die man jetzt erst, nach Jahrzehnten, nach mehr als 50 Jahren, zu finden bereit ist. Aber das sollte man aufarbeiten, und ich finde, daß das ein ganz wesentlicher Aspekt ist.


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