Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 41

Ich darf die Gelegenheit wahrnehmen und noch ein kleines Stückchen weitergehen und auch noch den Aspekt der Entschädigungsdebatte insgesamt berühren, die ja jetzt durch Initiativen amerikanischer Anwälte – teilweise zweifelhafter amerikanischer Anwälte, aber in der Sache selbst ist das natürlich eine durchaus berechtigte Initiative – aufgeflammt ist. Diesbezüglich hat es durchaus unterschiedliche Meinungen gegeben. Ja muß denn das jetzt sein?, hat es da geheißen, oder: Zahlt sich das überhaupt noch aus? – Letzteres ist ja eine besonders perfide Argumentation. Zuerst läßt man fünf Jahrzehnte verstreichen, viele der Opfer sind schon gestorben, und jetzt sagt man, das zahle sich eigentlich gar nicht mehr aus, weil ohnehin nicht mehr viele leben. – Dahinter steckt ein ungeheurer Zynismus.

Folgendes Argument ist auch besonders perfid: Könnte das dem Antisemitismus in Wirklichkeit nicht neue Nahrung geben? Sollte man nicht von dieser Debatte eher ablassen? – Ich meine, da helfen nur klare Worte, da hilft nur klare Aufarbeitung. Das wird man allein durch Erlöse, durch die Möglichkeit, daß man Kunstgegenstände, die einem abgepreßt, abgenommen wurden, die man damals aus dieser Geisteshaltung heraus nicht ausführen durfte, zurückbekommt, nicht aufarbeiten können. Und es war ja nicht nur eine gesetzliche Grundlage, die es nach 1945 dafür gab, es war ja auch eine gewisse geistige Haltung, die da dahinter gestanden ist. Man hätte das ja auch ändern können.

Es ist meiner Meinung nach notwendig, das nach wie vor deutlich auszusprechen und nicht wieder irgendwelche Erwägungen hier einzubeziehen, um das nicht zu diskutieren. Ich erinnere mich an verschiedene Äußerungen in diesem Zusammenhang, etwa an eine Äußerung des Herrn Treichl, der gemeint hat, der Herr Fagan soll lieber die Indianer und die Neger verteidigen. – Ich würde sagen: Das war der falsche Mann zur falschen Zeit, aber das richtige Thema! Es ist dies nämlich ein umspannenderes Thema, das durchaus auch diese Minderheiten und durchaus auch diese historische Schuld mit einbezieht und das man durchaus weiter fassen sollte. Aber man sollte dieses Thema auch als eine Gelegenheit wahrnehmen, um die Diskussion weiterzutreiben. Wir Demokraten verstehen uns ja nicht nur als eine Strömung der Geschichte, sondern wir verstehen Demokratie als einen Wert, als ein Prinzip, als etwas, das über den Tag hinaus Gültigkeit haben soll, das die Basis des zivilisierten Zusammenlebens darstellen soll. Man muß natürlich jetzt schon darüber nachdenken, wie man widerstandsfähig wird und wie man wirklich dem auch entgegenwirken kann.

Daher ist, meine ich, all das eine günstige Gelegenheit, die wir aufgrund dieser Initiative, aufgrund dieser heute zu beschließenden Gesetze haben, daß wir die Diskussion weiträumiger ansetzen und daß wir da auch selbstkritisch sind. Wiewohl ich den Worten des Abgeordneten Khol natürlich in den wesentlichsten Grundzügen zustimme – da gibt es Grundkonsens –, soll man sich noch zusätzlich darüber Gedanken machen: Warum erst jetzt? Was war da eigentlich in der Zeit nach 1945, und was kann man daraus lernen? – Nicht nur, damit das alles nicht wieder passiert, sondern: Was können wir daraus lernen, damit es auch nicht schleichend, in neuen Formen, zu einer anderen Zeit und vielleicht mit noch gefährlicheren Auswirkungen zurückkehren kann.

Es ist heute ein wichtiger Tag, der Tag, der diesen Anstoß geben soll, und die Frau Ministerin wird sicherlich ihren Beitrag dazu leisten, daß das noch stärker Eingang in die Schulen findet und daß diese Aufarbeitung auch anhand dieses Themas, wenn es nicht ohnehin schon Teil der Aufarbeitung und des Unterrichtes ist, noch intensiver erfolgt. Mein Geschichtsunterricht hat seinerzeit vor dem Ersten Weltkrieg geendet. Ich hatte einen alten Geschichtsprofessor, der schon Angst vor dem Ersten Weltkrieg gehabt hat, geschweige denn vor der Zwischenkriegszeit – und die Zeit des Nationalsozialismus hat er überhaupt nicht berührt. Das ist leider lange her, weil ich auch schon ein älteres Semester bin, aber so war der Geschichtsunterricht damals. Ich hätte mir gewünscht, es wäre auch die Zeit des Nationalsozialismus aufgearbeitet worden und die Zwischenkriegszeit und der Erste Weltkrieg und der Zweite Weltkrieg aufgearbeitet worden, die Angriffe, all das, was damit zusammenhängt. Das wäre wichtig gewesen, und vielleicht hätte sich so mancher aus meiner Klasse dann anders entwickelt.

Ich halte diese Aufarbeitung für wichtig, und ich denke, Frau Bundesminister, daß Sie da als Unterrichtsministerin eine hohe Verantwortung haben. Aufgrund der Tatsache aber, wie Sie diese


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