Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 146. Sitzung / 211

diesen Ländern, mit Ausnahme jener Bereiche, für welche man ausdrücklich Übergangslösungen vereinbart hat, umgesetzt wird.

Jede Erwartung, daß man einfach beitreten und erst nachträglich die Anforderungen erfüllen kann, ist falsch. Damit erwecken Sie falsche Hoffnungen, weil das einfach nicht möglich ist. (Zwischenruf der Abg. Dr. Gredler.) In Spanien und Portugal war eine lange Vorbereitungsphase notwendig, obwohl dort marktwirtschaftliche Strukturen bestanden, die es in den Ostländern nicht gibt! In diesen Staaten bedarf es auch eines gewissen Reifungsprozesses, bis die Leute umdenken, daß die soziale Marktwirtschaft andere Anforderungen an sie stellt als die Planwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP.)

Ein Wort noch zu dem Nein, das Abgeordneter Nußbaumer dankenswerterweise einmal ganz klar formuliert hat. Sie haben gesagt: Das ist der Grund für unsere Ablehnung der Osterweiterung. – Bisher haben wir immer gehört, daß die Freiheitlichen diese eigentlich nicht ablehnen, sondern nur der Meinung sind, daß es so nicht geht. Sie sagen es jedoch ganz klar. Sie waren beim Euro dagegen, und Sie sind jetzt wieder dagegen. Damit nehmen Sie eine Position ein, über die die Geschichte hinweggehen wird. Es wäre doch viel vernünftiger, auch von Ihrer Seite mitzuwirken, daß die Bedingungen erfüllt werden, die wir erfüllen müssen, damit die Osterweiterung durchführbar ist. Dazu gehört gemäß Programm die Vorbereitungshilfe durch die EU, damit in diesen Ländern das Gefälle abgebaut und eine entsprechende Struktur geschaffen werden kann. (Abg. Ing. Nußbaumer: Es geht darum, welche Vorbereitungen die österreichische Bundesregierung für diese Osterweiterung trifft!) Sie finden das im Internet, Sie brauchen nur nachzuschauen! (Abg. Ing. Nußbaumer: Wir lehnen die Osterweiterung deshalb ab, weil es keine Vorbereitungen gibt!) Diese Behauptung stimmt nicht! Ich habe Ihnen gesagt: Sie können die entsprechenden Informationen sogar über Internet abrufen!

Diese Vorbereitungsstrategie ist die einzig mögliche, denn man muß das Gefälle senken, damit das Andocken ohne Erschütterungen in den neuen Beitrittsländern vor sich geht, damit ihre Wirtschaft nicht gleich durch die Konkurrenz kaputtgeht und damit alles auch ohne Erschütterungen bei uns bewerkstelligt werden kann.

Kollege Cap hat völlig recht: Wir in der Koalition sind für eine Osterweiterung, weil diese notwendig ist. Diese Wiedervereinigung dieses Kontinents, diese Sicherheitsgemeinschaft und Friedensgemeinschaft von ganz Europa, muß aber mit Augenmaß und mit Verantwortung verwirklicht werden. Sowohl das Wecken von Hoffnungen, daß es sozusagen im Galopp gehen kann, ohne daß die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden, als auch die grundsätzliche Ablehnung, das Spekulieren mit Ängsten und das Schüren von Ängsten sind hingegen kontraproduktiv. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, nicht für Europa, aber auch nicht für Österreich! (Beifall bei der ÖVP.)

22.31

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 4 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

22.31

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, zur Osterweiterung sollte die zentrale politische Zielsetzung außer Streit gestellt werden, daß der beste Beitrag zur Stabilisierung des gesamteuropäischen Kontinents natürlich die Erweiterung der Europäischen Union ist. Ich meine, wenn wir von diesem Bekenntnis ausgehen, können wir darüber diskutieren, unter welchen Bedingungen diese Osterweiterung stattfinden soll. Diesbezüglich hat sich die Europäische Union zu einer realistischen Vorgangsweise entschlossen, die auch darin zum Ausdruck kommt, daß nicht abgewartet wird, bis alle Teile des Acquis-Screenings fertig sind, sondern daß etwa bereits am 10. November in Wien Verhandlungen zu den ersten konkreten Kapiteln unter österreichischer Präsidentschaft begonnen werden. Damit entsteht kein Zeitverlust, und man kann ganz konkret die Probleme diskutieren, die in diesem Zusammenhang auf der Tagesordnung stehen.

Ein weiterer Punkt, der, glaube ich, ganz wesentlich ist: Es wird immer über die Frage globaler Wirtschaftsvergleiche gesprochen. Ich halte diese Herangehensweise, offen gestanden, für zu


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite