Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 150. Sitzung / 35

Ebene unterhält und nichts über die Vorhaben im Bereich der beabsichtigten Verordnungsermächtigung erfährt.

Zum Kern des Problems bei den Verordnungen: Wenn irgend jemand meint, man könne einen Befund, nämlich den Befund, ob ein Land ein sicheres Drittland ist oder nicht, durch Verordnung festschreiben, dann ist das Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Rechtsstaates! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen. – Ruf: Sagen Sie!)

Es ist nicht möglich, so etwas im Verordnungsweg festzuschreiben. Einen Befund kann man nicht in Verordnungen umgießen. Das ist nicht möglich, das ist denkunmöglich! Ein Befund ist die Beschreibung eines konkreten Zustandes, und an diesen Zustand knüpfen sich dann auch Rechtsfolgen. In den Rechtsfolgen muß der Befund "abgespiegelt" sein. Aber einen Befund in eine Rechtsnorm zu verwandeln, das würde heißen, daß wir die physikalischen Naturgesetze in Rechtsordnungssätze verwandeln können. Das können wir auch nicht. Niemand kommt auf die Idee, Schwerkraft in Form einer Verordnung zu definieren, aber der Herr Bundesminister kommt auf die Idee, daß man den Status "sicheres Drittland" in Form einer Verordnung definieren kann. Man kann die Kriterien in einer Verordnung definieren, wann ein Land ein sicheres Drittland ist, aber die Kriterien sind definiert in der Rechtsordnung. Daher ist es nicht möglich, das in Form einer Verordnung zu machen. (Abg. Leikam: Warum waren Sie nicht in der Sitzung? Sie haben nur ein Fernsehinterview gegeben! Sie haben die Mitarbeit verweigert!)

Herr Kollege Leikam! Glauben Sie mir bitte, das ist nicht meine persönliche Meinung, sondern das ist die allgemeine Meinung auf der Ebene der Rechtswissenschaften. Es ist nicht möglich, einen Befund in eine Verordnung zu verwandeln. Natürlich kann man es machen, also es ist möglich, das zu tun, aber es widerspricht allen Gesetzen der Logik der Rechtsordnung, einen Befund in eine Verordnung oder in eine Rechtsnorm zu verwandeln. Das ist der springende Punkt.

Aber was machen Sie damit? – Sie erwecken den Anschein der Verrechtlichung. Sie tun so, als ob alles Recht und Ordnung hätte. Und das ist der springende Punkt. Deswegen ist die Verordnungsermächtigung so böse, weil der Bevölkerung vorgegaukelt wird, wir hätten das jetzt in eine Rechtsordnung gebracht. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Wenn der Herr Bundesminister drei Möglichkeiten hat – er kann in die Verordnung schreiben, das Land A sei ein sicheres Drittland, er kann in die Verordnung schreiben, das Land A sei kein sicheres Drittland, oder er kann keine Verordnung erlassen –, welch ein Beitrag ist das dann, selbst in Ihrer Philosophie, zur Rechtssicherheit? – Sie wissen ganz genau, daß der springende Punkt im Asylrecht die Einzelfallbeurteilung ist. Das ist der springende Punkt. (Abg. Dr. Ofner: Im gesamten Rechtswesen!)

Natürlich ist es hilfreich, wenn es Hinweise darüber gibt, wie jemand etwas einschätzt. Es ist hilfreich, darüber zu diskutieren, ob man nicht Kataloge haben kann, in denen sich eindeutig nachlesen läßt, welche Beurteilungskritierien derzeit aktuell sind. Aber dazu wurde unter anderem der Bundesasylsenat eingerichtet. Dazu gibt es Organisationen wie den UNHCR, den man gelegentlich auch bitten kann, Gutachten zu verfassen, denn im Wege von Gutachten und nicht in Form von Rechtsvorschriften werden Befunde erhoben.

Damit liegt im Prinzip die eigentliche Intention der Koalitionsregierung, Herr Bundesminister, völlig offen auf dem Tisch: Sie wollen um jeden Preis verhindern, daß noch irgendein Flüchtling auf dem Landweg legal österreichischen Boden betreten kann. Sie bemerken dabei nicht einmal, daß Sie damit wieder einmal das tun, was Sie angeblich nicht wollen, nämlich das Schlepperunwesen zu fördern.

Wenn Sie alle Schotten dicht machen, und die Leute in ihrer Verzweiflung trotzdem versuchen, zu uns zu kommen, dann zwingen Sie sie in der Direttissima in die Illegalität – sicher in der wohlerwogenen Absicht, sie nachher umso sicherer abschieben zu können.

Damit machen Sie etwas ganz Übles, und es ist für das Renommee der Republik Österreich nicht angenehm, wenn man sich auch im Ausland auf diese Praxis ansprechen lassen muß.


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