Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 90

Ich werde diesem Antrag nicht deshalb zustimmen, weil ich meinen Berufskollegen – den Archivaren und den Historikern – mißtraue, sondern weil ich es als Historiker für wichtig halte, folgendes zu klären: Was ist mit dem sogenannten arisierten Vermögen geschehen? Wie ist die Rückgabe erfolgt? In welchem Umfang ist die Rückgabe erfolgt? – Die Rückgabe, meine Damen und Herren, diese Rückstellungen wurden ja meist zwischen 1951 und 1955 durchgeführt. Welche Mängel hat es dabei allenfalls gegeben?

Das sind interessante Fragen zur Zeitgeschichte, die die Historikerkommission sehr wohl interessieren müssen und von ihr auch zu behandeln sind.

Zu den anderen Themen, die noch nicht angesprochen worden sind, die aber ebenfalls von Bedeutung sind, gehören die Fragen: Was geschieht mit den Privatarchiven, auf die der Nationalrat keine Zugriffsmöglichkeiten hat? Und wie halten wir es in Zukunft mit der Archivsperre, die in den angelsächsischen Ländern etwa 30 Jahre und bei uns 50 Jahre beträgt, wenn es sich um personalbezogene Quellen handelt? – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.47

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Smolle. Herr Abgeordneter, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß ich Sie um 15 Uhr eventuell unterbrechen müßte. – Bitte. (Abg. Mag. Peter: Das schaffst du leicht, Karli!)

14.48

Abgeordneter Karl Smolle (Liberales Forum): Gospod predsednik! Gospod državni sekretar! Visoki Dom! Meine Damen und Herren! (Abg. Dr. Khol: "Visoki Dom" gefällt mir besonders gut, das heißt "Hohes Haus"!) Werter Herr Abgeordneter Khol! Es freut mich, daß Sie den Raum betreten haben, um mir zuzuhören. (Abg. Dr. Graf: Es ist schon bald 15 Uhr!) Es freut mich aber noch viel mehr, daß wir einen Entschließungsantrag, der als starke Pflanze im Liberalen Forum das Licht der Welt erblickt hat, über die Grünen und die beiden Regierungsfraktionen bis hinüber zur Freiheitlichen Partei so erweitern konnten, daß wir einen wirklich starken Akzent setzen.

Jetzt gehe ich mit Ihnen darin konform, werter Herr Vorredner, daß dieser Antrag kurz greift. Ich habe schon seinerzeit erklärt, warum es so ist. Mir ist es aber darum gegangen, ein Signal zu setzen, und zwar ein sehr wichtiges Signal in diesem Bereich, weil ich Informationen darüber bekommen habe, daß, wie gesagt, mit Archivmaterialien doch nicht ganz so sorgfältig umgegangen wird. Vor allem wissen wir ja, daß sich eine Reihe von Archivmaterialien in Händen befindet, bei denen nicht ganz klar ist, wem diese Papiere eigentlich gehören. (Abg. Dr. Graf: Wo ist das konkret passiert?) Selbstverständlich können wir im Nationalrat nur die Bundesregierung als Adressatin heranziehen. Wir können keinem Privaten etwas auferlegen, außer im Wege von Gesetzen, das ist klar. Daher werden wir im Wege eines Entschließungsantrages einen Privaten nicht unbedingt dazu bewegen können, aber wir werden vielleicht die Sensibilität dafür schaffen. (Abg. Dr. Graf: Wo ist das konkret passiert?)

Ich habe das ja schon berichtet. Diese Rede ist nachzulesen, Herr Kollege. Das habe ich schon – da waren Sie vielleicht nicht im Saal ... (Abg. Dr. Graf: Aber wo konkret?) O ja, das war sehr konkret, ich habe Ihnen das alles berichtet. Aber halten wir uns jetzt nicht mit alten Reden auf, die im Stenographischen Protokoll nachzulesen sind. Ich bin jedoch gerne bereit, die Rede für Sie herauszusuchen, wenn Sie dazu selbst nicht in der Lage sind. (Abg. Dr. Graf: Ich höre Ihnen immer zu!)

Meine Damen und Herren! Es ist mir völlig klar, daß dieser Antrag kurz greift. Er sollte aber gleichzeitig auch ein Anlaß dafür sein – nehmen Sie das bitte als Anregung mit, Herr Staatssekretär! –, daß wir uns nun sehr rasch ein gutes, solides Archivgesetz erwarten. Ein Archivgesetz bezieht sich nicht nur auf Materialien, die sich im öffentlichen Bereich befinden, sondern auch auf Materialien, die sich im privaten Bereich, im kirchlichen Bereich oder wo auch immer befinden, wenn dies für die Historie, für die Öffentlichkeit, für die Gemeinschaft wichtige, grundlegende Materialien sind. Das ist ein Grundmanko in Österreich: Wir brauchen ein gutes Archivgesetz, aber wir haben es nicht.


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