Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 91

Ein solches Gesetz würde uns die Möglichkeit geben, auch in dem Bereich einzugreifen, den Kollege Stummvoll schon seinerzeit bei der ersten Kontaktnahme im Zusammenhang mit diesem Antrag moniert hat: Wir müssen uns auch den Kopf darüber zerbrechen, was wir mit all jenen Firmen machen, die zu jener Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt und damals die Löhne nicht an die betroffenen Arbeiter ausbezahlt haben, sondern zum Beispiel – wie wir auch wissen – in weiten Bereichen direkt an die SS. Das heißt, in diesen Firmen befinden sich sehr wichtige Unterlagen. Deshalb geht es hier nicht um eine Hatz gegen die Archivare, sondern es geht darum, zu sagen: Grundsätzlich sollen Materialien – wie irrelevant auch immer sie im ersten Augenblick erscheinen mögen – derzeit keine Veränderung erfahren.

Das habe ich dem Herrn Justizminister klar mitgeteilt, und es freut mich besonders, daß er meinen Hinweis offenbar ernst genommen hat. Denn er hat bereits eine eigene Kommission zur Sichtung eben dieser Akten eingerichtet. Er geht zwar in seiner Presseaussendung nicht darauf ein, daß sich das letztlich auf einen Antrag der Liberalen bezieht, aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, daß er rasch reagiert und eine Kommission bestellt hat, die sichtet, wo sich derzeit all diese Akten vor allem aus der Nachkriegszeit, aber selbstverständlich auch aus der Zeit von 1938 bis 1945 befinden. Man sieht, meine Damen und Herren, daß gute Werke es meistens an sich haben, daß sie dann auch bei anderen gute Werke bewirken. In diesem Sinn ein Kompliment an den Herrn Justizminister. Ich hoffe, daß auch andere Ministerien so rasch reagieren werden und sofort zur Sichtung schreiten, unabhängig von der Frage, als wie wichtig sich letztlich einzelne Dokumente erweisen werden.

Meine Damen und Herren! In den Zeitungen vom heutigen Tag können wir feststellen, daß sich eine Reihe von NS-Akten auch bei der VOEST befinden. Hier habe ich zum Beispiel eine Mitteilung über die Zusammenarbeit der deutschen "Allianz" mit der Holocaust-Kommission und auch eine Monierung eines US-Staatssekretärs, daß die österreichischen Versicherungen in dieser Hinsicht nicht so kooperativ seien. Auch in diesem Sinn ist unser Antrag äußerst wichtig, meine Damen und Herren, weil er sozusagen ein bißchen der erhobene Zeigefinger in diese Richtung ist: Gehen wir achtsam mit unseren Archiven um! Das betrifft auch Banken und private Gesellschaften, denn es wird notwendig sein, auch von dort Archivmaterial zu erhalten.

Es wird sich selbstverständlich auch die strafrechtliche Frage ergeben, ob es bei der Vernichtung von sozusagen belanglosen Akten nicht doch in gewissem Sinn auch zur Beseitigung von Beweismaterial gekommen ist. Denn es wird zu Entschädigungsverfahren kommen, meine Damen und Herren, und da wird es selbstverständlich eine Frage sein, ob diese Akten noch vorhanden sind, ob sie am Tag X – zum Beispiel am Tag der heutigen Antragstellung – noch da waren und ob sie dann, wenn man sie braucht, eben nicht mehr da und nicht mehr auffindbar sind.

Ich bin ebenfalls der Auffassung, daß Archivare nicht a priori zum Aktenvernichten da sind und daß sie das auch nicht tun. Aber es gibt auch andere Methoden, um Materialien schwerer zugänglich zu machen, zum Beispiel – ich habe darüber schon letztes Mal berichtet – durch Vermengung von verschiedenen Materialien. Wir wissen, daß grundsätzlich über Landespapiere und Landesdokumente die Länder, über Privatdokumente Private und über Bundesunterlagen Bundesbehörden entscheiden. Wenn man nun versucht, diese Unterlagen ein bißchen miteinander zu vermengen, und sich der Bestand dann sozusagen als Gesamtkonvolut darstellt, dann braucht man sehr viele Bewilligungen, um an einzelne Materialien heranzukommen. Es gibt in dieser Hinsicht bei den bürokratischen Archivaren recht viel Phantasie, sodaß man Materialien zwar nicht verschwinden läßt, aber sie nur sehr restriktiv zur Verfügung stellt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Anlaß benützen, um Ihnen ein Beispiel aus dem Bereich zu bringen, den wir unmittelbar behandeln. Ich zitiere da – Herr Präsident, ich möchte gleich darauf aufmerksam machen – aus dem Bericht des Verbandes slowenischer Genossenschaften, der im Zusammenhang mit der Nachkriegsgeschichte erstellt wurde. Der Text steht im Original in slowenisch. Ich werde ihn zitieren und dann zusammenfassend in deutsch vortragen. (Der Redner zitiert einen längeren Text in slowenischer Sprache. – Abg. Dr. Haider: Gut slowenisch kannst du nicht!)


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