Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 105

Eines meiner Bestreben war es – und auch da sind wir Risken eingegangen –, daß wir uns selbst in den Weltkrisenzonen oder in den europäischen Krisenzonen – und ich rechne den Mittelmeerraum/Nahost durchaus dazu – einfach eine größere Sichtbarkeit, ein größeres Profil geben wollen. Natürlich habe ich meinen Traum noch nicht verwirklichen können. Jeder hat seinen Traum, und mein Traum wäre gewesen, daß wir noch vor Weihnachten (Zwischenruf des Abg. Dr. Kurzmann) – das ist jetzt nicht zum Blödeln, bitte – etwa im Kosovo den Beginn von politischen Verhandlungen feiern können. Das wäre unglaublich wichtig gewesen (Abg. Scheibner: Das sind ja wieder die Amerikaner!), denn es kann ja nicht genug sein für uns, daß wir einige Hunderttausend Flüchtlinge notdürftig versorgt wieder zurückgebracht haben, sondern die Zeit läuft davon, und im Frühjahr kann es wieder losgehen. Es ist schade, daß das noch nicht gelungen ist. Ich gebe die Hoffnung immer noch nicht auf – 14 Tage haben wir noch Zeit.

Aber in unserer Präsidentschaft ist erstmals ein EU-Beauftragter, der Österreicher Wolfgang Petritsch, in dieser Region und hat sogar Geld, nämlich 50 Millionen Euro – das ist viel Geld: rund 600 oder 700 Millionen Schilling –, um die Flüchtlinge wenigstens über den Winter zu bringen. Wir spielen da eine Rolle, und das Europäische Parlament hat heute Ibrahim Rugova den Sacharow-Preis verliehen, weil wir auch die friedlichen Kräfte im Kosovo bewußt unterstützen wollen. Wir waren diejenigen, die die serbischen Oppositionellen alle gemeinsam nach Wien geholt haben, um eine demokratische Alternative zu ermutigen, den Kampf gegen Diktatoren anzugehen. (Zwischenruf des Abg. Jung.) Ich glaube, daß wir auf diese Präsenz und Sichtbarkeit der Europäischen Union durchaus stolz sein können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jung.)

Wir sind eben nicht nur in der Theorie der Orientierungsdiskussion steckengeblieben, sondern wir haben eher versucht, durch die Praxis die Theorie zu überholen. Wenn heute im Kosovo bis Ende Dezember die Hälfte der Kosovo-Verifiers eintreffen wird, so sind sie zu zwei Dritteln aus EU-Bürgern gebildet. Wenn zur Sicherheit in Mazedonien eine NATO-Extraction-Force gebildet wird, so wird sie zu 100 Prozent aus NATO-Soldaten gebildet. Das heißt, das europäische Modell einer Sicherheitspolitik, einer militärischen Komponente, die regionale Konflikte dämpfen, absichern soll, nimmt Gestalt an. Daß das gerade in der österreichischen Präsidentschaft Gestalt gewonnen hat, daran haben wir schon mitgewirkt – das kann man, glaube ich, ohne falsche Bescheidenheit sagen.

In der Nahostfrage haben wir durch die Einladung von Präsident Arafat diesem sofort nach der Konferenz in Washington die Chance gegeben, die Stimme Palästinas vor den 15 Regierungschefs zu erheben. Ich selbst bin in diese Region gefahren, bin dann in sechs Länder gereist, habe die Europäische Union in Washington bei der Donors-Konferenz vertreten. Wir haben gezeigt, daß wir auch in Zukunft bereit sind, als größter Geber der Welt den Friedensprozeß zu unterstützen. Das heißt, Außenpolitik ist für uns Friedenssicherung, aktive Friedenssicherung gewesen. Und ich meine, daß gerade das kleine Österreich auf diesen europäischen Beitrag durchaus stolz sein kann. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Eines ...

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Bitte um den Schlußsatz, Herr Vizekanzler!

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel (fortsetzend): Eines unserer wichtigsten Themen wird Rußland sein. Wir konnten am Montag im Landwirtschaftsrat sicherstellen, daß die Nahrungsmittelhilfe im Umfang von 400 Millionen Euro für Rußland beschlossen wurde. Sie wird im Schnellverfahren bereits heute vom Europäischen Parlament bewilligt.

Wir haben den Schweiz-Vertrag unter Dach und Fach gebracht, eine höchst erfolgreiche Konferenz mit der SADC abgeschlossen, und wir haben zum ersten Mal ein Profil für die Menschenrechte entwickelt. Ich hoffe, daß die deutsche EU-Präsidentschaft das fortführt: mit einem jährlichen Menschenrechtsbericht und mit einer Menschenrechtsagentur, die hoffentlich in Wien beheimatet sein wird. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.50


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