Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 154. Sitzung / 169

Ich möchte die Sozialdemokraten, da gerade sie mit den Sudetendeutschen immer eine tiefe und enge historische Verbundenheit hatten, mahnen und dazu auffordern – ich weiß, daß es unter ihnen durchaus Interessierte gibt, auch wenn sie jetzt untereinander plaudern mögen und so tun, als ob es sie nichts anginge –, sich doch endlich wieder ihrer Sudetendeutschen- und Vertriebenenfreundlichkeit, die sie in diesem Hohen Haus in der Vergangenheit stets an den Tag gelegt haben, zu besinnen.

Als ein Datum, worauf die Sozialdemokraten vielleicht hinarbeiten könnten, wenn ihnen das Menschenrechtsjahr 1998 schon nicht als Anlaß genügt, wäre vielleicht der 18. September 1999 zu nennen, an dem die Sozialdemokraten Deutschlands und Österreichs in Brünn eine Feier anläßlich des 100. Jahrestages des Brünner Gesamtparteitages begehen werden. Es war dies für die gesamte Sozialdemokratie in Mitteleuropa und für den deutschsprachigen Raum, aber auch für die Tschechen, Slowaken, Slowenen und Mitglieder der anderen Sprachkulturen im damaligen Österreich-Ungarn ein wichtiger Parteitag, an dem epochale Beschlüsse gefaßt wurden. An dieser 100-Jahr-Feier werden auch die Sozialdemokraten teilnehmen und dieses Parteitages gedenken.

Nehmen Sie dieses Thema, wenn Sie nach Brünn reisen, ernst und erinnern Sie sich wieder daran, Ihre Verantwortung für die Sudetendeutschen als Sozialdemokraten wahrzunehmen! Ich mahne das nicht nur im Namen der Österreicher, sondern vor allem im Namen der Vertriebenen heftig ein und hoffe, daß Sie sich in diesem Sinne bekehren und gemeinsam mit uns in diesem Hohen Haus wieder mehr für die Vertriebenen tun werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich weiß, daß in der heutigen Diskussion versucht werden wird, die Anträge der Freiheitlichen polemisch abzufertigen. Es sei bereits über das Geld verfügt, es könne nicht mehr entschieden werden, als hier zur Verteilung anstand. – Ich sage Ihnen von diesem Rednerpult aus: Das ist nicht so zu sehen, wie Sie es sehen! Es ist ein Signal!

Darüber hinaus sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir haben mit dem damaligen einstimmigen Beschluß in diesem Hohen Haus betreffend das Entschädigungsgesetz und die Valorisierung oder Wertanhebung letztendlich nur eine 34prozentige Anhebung beschlossen; aus welchem Budgettopf et cetera das Geld kommt oder von wo dieses genommen wird, um diesen Wert auszugleichen, das haben wir nicht beschlossen. Das steht in keinem einzigen Paragraphen, den wir damals beschlossen haben – und ich habe sie mir sehr genau angeschaut!

Wir haben keine Erläuternden Bemerkungen beschlossen. Außerdem haben wir in der vorhergehenden Debatte gerade von Herrn Kollegen Feurstein gehört, daß Erläuternde Bemerkungen keine Gesetzeskraft und keinen normativen Charakter haben sowie in der Regel nicht nur verhandelbar, sondern weiterverhandelbar beziehungsweise, wenn es sein muß, auch zu vernachlässigen sind. Das muß auch in dieser Frage gelten, ich sage das mit Bestimmtheit! Beschlossen haben wir nur die gesetzlichen Bestimmungen.

Wenn Sie jetzt vermeinen, daß Sie eine Wertanhebung auf Kosten von geschädigten Vertriebenen, Geschundenen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht zum Zuge gekommen sind, sei es deswegen, weil sie eine Frist versäumt haben, sei es deswegen, weil sie in Beweisnotstand geraten sind, machen können, so finde ich das fast perfid. Was wollen Sie, Herr Minister, einer alten Frau – und derer gibt es viele – erzählen, die zu Ihnen kommt und sagt: Ich habe einen Bescheid erhalten, daß ich um eine Woche zu spät angesucht habe und daher gemäß dem Entschädigungsgesetz nicht in den Genuß einer Entschädigung kommen!? Wollen Sie dieser alten Dame dann vielleicht sagen, sie solle sich nichts daraus machen, ihr Geld habe sowieso ein anderer Betroffener erhalten?

Das kann doch nicht gerecht sein! Wir als Gesetzgeber können doch nicht beabsichtigen, letztendlich auf Kosten eines Teiles der Vertriebenen und Geschundenen einen anderen Teil zu entschädigen. So sehr wir dafür sind, daß es zu einer tatsächlichen Wertanhebung kommt – wie wir das auch mitbeschlossen haben, und 34 Prozent bedeuten bei weitem nicht einmal eine Wertverlustabdeckung, sie müßte wesentlich höher sein –, kann es unserer Meinung nach doch


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