Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 38

überhaupt nicht verstanden habe: Sie haben uns hier eine Einladung des Abgeordneten Swoboda zu einem Gespräch, das morgen mit einem Vertreter des ERNK-Büros stattfinden wird, entgegengehalten – was stört Sie daran, Herr Kollege? (Abg. Dr. Khol: Verteidigen Sie Ihren zukünftigen Koalitionspartner?) Stört Sie daran, daß es ein Gespräch mit der ERNK gibt? (Abg. Dr. Khol: Verteidigen Sie hier Ihren zukünftigen Koalitionspartner?) Stört es Sie, daß es das Gespräch gibt? (Abg. Dr. Khol: Gibt es eine Bereichskoalition Rot-Grün?) Oder stört es Sie, daß der Bundesminister gesagt hat, die ERNK ist nicht als Verein zugelassen (Abg. Kiss: Und auch nicht als Partei! Das ist rechtswidrig, Frau Kollegin!), und hier wird sie quasi so erwähnt, als ob sie ein Verein wäre? Was stört Sie daran?

Wenn wir uns darüber einig sind, daß es einen eigenen österreichischen Weg gibt, wenn wir uns darüber einig sind, daß nur der Dialog, das Gespräch zu einer Lösung führen kann, dann kann Sie daran eigentlich überhaupt nichts stören, Herr Kollege Kiss! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kiss: Wenn das eine kriminelle Organisation ist, wie der Oberste Gerichtshof sagt!)

Denn sehen Sie – um mit einem Schwenk noch einmal auf die Außenpolitik einzugehen, und ich habe Ihnen das schon vorige Woche gesagt –: Haben Sie sich jemals überlegt, wo wir in der Außenpolitik, in der internationalen Politik heute wären, wenn es mit der PLO vor 30 Jahren keine Gespräche gegeben hätte? Was war denn die PLO vor 30 Jahren? Was war denn Arafat vor 30 Jahren? – Abgesehen davon, daß es einen Präsidenten des Staates Israel gegeben hat, der ein international gesuchter Terrorist war, später aber ein anerkannter Präsident dieses Landes und dieses Staates wurde. (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Was heißt das?)

Was glauben Sie, wo wir in der internationalen Politik heute wären, wenn es keine Gespräche mit dem politischen Flügel der IRA gegeben hätte? – Es gibt dort sehr kluge Menschen auf beiden Seiten, die sich solche Gesprächsebenen überlegt haben, da es neben einer Terrororganisation in Form der IRA auch einen politischen Flügel gibt. Es ist klar: Bei aller Unschärfe, die eine solche Trennung zwangsläufig mit sich bringt, wenn es sich um zwei Organisationen mit demselben Anliegen und demselben Vertretungsanspruch handelt, ist das ein kluges Vorgehen, denn es ermöglicht gewählten Staatsleuten – wie eben in Großbritannien –, Gespräche mit einem politischen Flügel zu führen, um zu Friedensabkommen zu gelangen.

Glauben Sie, wir hätten heute ein Friedensabkommen über Palästina und Israel? Glauben Sie, wir hätten heute ein Friedensabkommen in Nordirland, wenn wir so vorgegangen wären, wie Sie es hier an diesem Rednerpult skizziert haben? – Bei weitem nicht. (Abg. Kiss: Es ist doch evident, daß es eine kriminelle Organisation ist! Das sage nicht ich, das sagt der Oberste Gerichtshof!) Wie stellen Sie sich denn vor, daß wir das Problem lösen können, das die Türkei hat und das wir in Europa haben? (Abg. Kiss: Der Minister sagt: kein Verein, keine Partei!) Wie stellen Sie sich denn vor, daß das Problem der Kurden in fünf Ländern gelöst werden kann, wenn nicht auch entsprechender Druck auf ein Land wie die Türkei ausgeübt wird, um zu Gesprächen zu kommen? Wie stellen Sie sich das vor?

Sie wissen es, denke ich mir, denn Sie haben ja auch Abgeordnete in Ihren Reihen, die in dieser Hinsicht im Europarat sehr aktiv sind und im Europarat die Überprüfung der Mitgliedschaft der Türkei mitgetragen haben. Im Jänner ist der Bericht des Europarates – im übrigen mitgetragen von Ihrem Kollegen Schwimmer – über diese Überprüfung der Mitgliedschaft herausgekommen. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Bericht kennen. Darin wird aufgezeigt, daß die Mitgliedschaftsverpflichtungen der Türkei im Europarat gröbstens verletzt werden, daß Folter an der Tagesordnung ist, daß es Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit gibt, daß Ausnahmezustand in den Gebieten, die von Kurden bewohnt werden, herrscht, daß es keinen Gebrauch der kurdischen Sprache gibt, und, und, und. Man könnte diese Liste fortsetzen. Ich denke, Sie kennen sie alle, und Sie wissen, daß das nicht der einzige Bericht ist.

Vorigen Dienstag hat das Folterkomitee des Europarates seinen Bericht veröffentlicht. Es ist alarmierend und beschämend für Europa, was darin steht, und die Liste läßt sich noch und noch fortsetzen, bis hin zu NGOs wie Amnesty International, aber auch, wie gesagt, genau jenen Einrichtungen, von denen ich denke, daß Sie sie mittragen. Es gibt eine Menschenrechts-Charta, deren Mitunterzeichnerin die Türkei ist und deren Vereinbarungen sie verletzt. Es gibt im


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