Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 140

Es wäre auch ökonomischer, wenn wir endlich einmal wirklich marktwirtschaftlich agierten und nicht die Staaten dauernd der Atomindustrie doch Geld zusteckten. Diese Alternativenpolitik, das heißt, die Stimme ausschließlich dafür herzugeben, daß Alternativen ausgebaut werden, ausschließlich in erneuerbare Energien zu investieren und notfalls auch Beschlüsse innerhalb der EU zu blockieren, wenn diese österreichische Sicherheitspolitik und die österreichischen Sicherheitsinteressen verletzt werden, ist Anti-AKW-Politik, aber diese haben Sie leider verlassen. (Beifall bei den Grünen.)

18.43

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Es hat sich jetzt Herr Vizekanzler Dr. Schüssel zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.43

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Zunächst einmal zur Frage, ob es eine Änderung in der österreichischen Antiatompolitik gibt. Die Antwort ist klar und eindeutig: nein. Wir haben einen österreichischen Konsens zwischen den fünf Parlamentsparteien und der gesamten Bundesregierung für einen Ausstieg aus der Atomenergie, und zwar nicht nur in Österreich, wo wir das ja durchgezogen haben, sondern auch in anderen Teilen Europas.

Diesen Konsens haben wir, aber diesen Konsens haben andere nicht. Zu einem Konsens gehört, daß nicht nur einer glaubt, er habe einen Konsens, sondern daß auch alle anderen mittun. Ich kann das deswegen umso leichter und vielleicht auch umso glaubwürdiger sagen, als ich schon zu einem Zeitpunkt, zu dem das jedenfalls für mich noch mit einigen Risken verbunden war – ich war nämlich zu dieser Zeit Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, und damals war die Linie meiner Organisation bei diesem Thema noch etwas anders –, für den Ausstieg aus der Atomenergie plädiert habe. Damals war das etwas weniger einfach, als es heute im sicheren Hafen des österreichischen Nationalrats in einem Fünfparteienkonsens ist. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Öllinger: Ah! Ein Dissident waren Sie!)

Die Antwort ist klar: Es gibt keine Änderung, Frau Abgeordnete Petrovic, keine Abweichung vom Konsens, von einer früheren Linie der Bundesregierung und des Parlaments. Wir wollen nach wie vor den Ausstieg aus der Atomenergie.

Kollege Cap hat in seinen, wie ich finde, sehr klugen Ausführungen darauf hingewiesen, daß es nicht so einfach ist, diese politischen Überzeugungen anderen aufzuoktroyieren, und daß es in diesem Zusammenhang Sachzwänge gibt, denen sich auch neugewählte Regierungen stellen müssen.

Wenn man etwa mitverfolgt, wie die deutschen Grünen, Kollege Fischer und Kollege Trittin, versuchen, ihre persönliche Überzeugung – ich meine das jetzt nicht ironisch – in eine tagespolitische Praxis umzumünzen, dann sieht man, daß das nicht so einfach ist, wie wir uns das gelegentlich vormachen, wenn wir glauben: Wir fassen eine Fünfparteienentschließung, schicken die österreichischen Minister in alle Windrichtungen nach Europa, und dann wird es schon funktionieren. – So einfach ist das nicht!

Wir haben diesbezüglich keinen Konsens innerhalb der Europäischen Union. Es gibt einige Länder, die von vornherein keine Atomkraftwerke haben, es gibt andere Länder, wie etwa Schweden oder Deutschland, die sich jetzt schmerzhaft bemühen, über einen Ausstieg zu diskutieren, und wir alle sehen, daß dies nicht so einfach ist.

Ich komme gerade aus der Slowakei – Frau Abgeordnete Moser hat es dankenswerterweise erwähnt. Ein Kollege der "Presse" hat mich dorthin begleitet; er könnte vielleicht noch objektiver, als ich das tun kann, hier darüber berichten, wenn er das Rederecht hätte.

Ich habe soeben im Sinne des österreichischen Konsenses die neue slowakische Regierung nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß wir ein Zusperren von Bohunice so rasch wie nur möglich haben wollen. Es ist genauso ehrlich, hier zu sagen, daß dies für die neue slowakische Regierung, die derzeit versuchen muß, den Rechtsstaat zu stabilisieren, ein


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