Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 192

effizient die individuellen Interessen und Rechte der Betroffenen durchsetzen, und das wissen Sie! Aber wider besseres Wissen setzen Sie diese Konfliktlöser ein.

Aber dieser Weg wurde schon vor langem eingeschlagen. Er hat begonnen bei der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, bei der man die Kammern – Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer – und Gewerkschaften mit der Vertretungsbefugnis vor den Gerichten ausgestattet hat. Sie haben das jetzt mit den Sozialarbeitern in der Konfliktlösung ebenfalls gemacht, und Sie machen es demnächst bei den Mediatoren, sogar ohne daß es ein genaues Berufsbild gibt. Die Psychologen werden künftig Scheidungsfälle vertreten oder aber Richter ein einträgliches und lukratives Nebengeschäft betreiben können. Diese brauchen nämlich die Schweigepflicht oder die Verschwiegenheitsverpflichtung, und deswegen hat man das ja in das Berufsrechtsänderungsgesetz aufgenommen. Wir werden noch darüber diskutieren.

Sie haben das gestern auch für die Wirtschaftstreuhänder bezüglich der Vertretung vor den Höchstgerichten, vor dem Verwaltungsgerichtshof – auch im Wiederaufnahmeverfahren, auch im Wiedereinsetzungsverfahren in Finanzstrafdelikten – gemacht (Bundesminister Dr. Michalek: Gegen meine Meinung!), wenn auch gegen Ihre Meinung. Sie sind im Ministerrat mit einer Stimme vertreten! (Bundesminister Dr. Michalek: Ich war nicht im Ministerrat, ich war in ...!) Sie hätten es sicherlich verhindern oder Ihre Stimme kräftig erheben können! Das hätte ich mir von einem Justizminister erwartet.

Aber auch bei der Gleichbehandlung will man lieber eine Behörde als niedergelassene Anwälte mit den Fällen betrauen, weil diese ja angeblich nichts mit der Sache zu tun haben.

Herr Minister! Sie gehören leider Gottes, obwohl Sie selbst einem freien Berufsstand angehören – ich habe das gestern auch dem Wirtschaftsminister gesagt –, zu den Totengräbern der freien Berufe! Ich sage das mit dieser Deutlichkeit, weil es wirklich bereits an die Substanz der freien Berufe geht, da man keine intelligenten Lösungen sucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie erheben, genauso wie der Wirtschaftsminister, die Winkelschreiberei in Österreich zum System (ironische Heiterkeit der Abg. Mag. Stoisits), und dagegen werden wir Freiheitlichen uns immer aussprechen! Die Vertretung durch den Rechtsfreund ist offensichtlich hier im Lande und hier im Hause obsolet geworden. Das tut mir leid. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.10

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister und dann Frau Kollegin Fekter zu einer tatsächlichen Berichtigung. – Bitte, Herr Minister.

22.10

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Graf! Da haben Sie mich jetzt aber auf einen sehr sensiblen Punkt angesprochen! Ich komme aus einem freien Beruf und habe das nicht vergessen, auch wenn ich jetzt schon mehr als acht Jahre lang Minister bin. Daß ich mich gegen das Vertretungsrecht der Wirtschaftstreuhänder vor dem Verwaltungsgericht gewendet habe, hat dazu geführt, daß es in der Ministerratsvorlage nicht enthalten war. Daß der Nationalrat hier einen anderen Weg gewählt hat, dagegen kann ich nichts tun. Das ist das Recht des Nationalrats.

Als zweites ist zu dieser Sache anzumerken, daß in jenen Bereichen, in denen sich die Diversion in aller Regel abspielen wird, ja schon jetzt keine rechtlichen Vertretungen in Anspruch genommen werden. (Abg. Dr. Ofner: Das ist ja nicht wahr! Fünf Jahre Strafdrohung!) Der Betroffene bekommt einfach eine Strafverfügung. Und daß er, selbst wenn jetzt eine diversionelle Maßnahme stattfindet, ... (Abg. Dr. Ofner: Das ist der Kern der Strafe!) Herr Abgeordneter Ofner! Eine rechtsanwaltliche Vertretung ist jetzt nicht zwingend vorgesehen, und sie ist auch in den künftigen diversionellen Fällen nicht zwingend vorgesehen.

So wie jetzt ein Betroffener zu seinem Rechtsanwalt geht, wird er auch künftig zu seinem Rechtsanwalt gehen. Daß er das tun kann, das ermöglicht ihm die Beiziehung einer Vertrauensperson. Daher wird die Stellung der Rechtsanwälte in diesem Zusammenhang in keiner Weise verschlechtert! Das hat auch die rechtsanwaltliche Standesvertretung, und nicht der Mini


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