Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 162. Sitzung / 168

18.19

Abgeordneter Dr. Harald Ofner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sie haben jetzt, wenn ich richtig mitgezählt habe, zu diesem Tagesordnungspunkt vier Rechtsanwälte gehört, und Sie müssen den Eindruck gewonnen haben, jeder gehört in Wahrheit einem anderen Berufsstand an. Das ist ein bißchen richtig, denn Anwalt ist nicht gleich Anwalt. Wenn etwa mein Vorredner Krüger vor allem die Internationalität beschworen und ins Auge gefaßt hat, so darf ich dazu sagen, daß nach der Statistik und auch nach den Erwartungen für die Zukunft nie mehr als 3 Prozent der Anwälte in internationalen Geschäften tätig sein werden – und zwar nirgends!

Natürlich sind das, absolut gerechnet, in den größeren Ländern mehr als in Österreich, aber 97 Prozent werden auch in Zukunft – so wie ich in Ottakring – das lokale Geschäft zu machen haben. Das ist kein Nachteil! Ich sehe es als einen Vorteil und als eine wesentliche Komponente, und ich sage das nur, damit man unterschiedliche Positionen, die es in Einzelheiten gibt, auch in ein und demselben Berufsstand, entsprechend beurteilen kann.

Insgesamt habe ich den Eindruck, daß die Freiberufler, und unter diesen vor allem wieder die Juristen, speziell die Anwälte, in der derzeitigen Bundesregierung keine Freunde haben. Ich darf ein Beispiel bringen und erläutern, daß es mir weniger darum geht, ob jetzt jemand ein Jahr kürzer oder ein Jahr länger Konzipient sein muß – ich war noch einer von denen, die sechs Jahre lang Konzipient sein mußten, und ich behaupte nachträglich, daß es mir nicht geschadet hat –, aber ich glaube, es geht vor allem darum, welche Verdienstmöglichkeiten der einzelne Anwalt hat.

Das ist nicht nur für den Anwalt selbst wichtig. Es ist auch für den Rechtsstaat wichtig, vor allem aber für den Klienten. Denn wenn es so wie in Deutschland ist – in München allein gibt es ungefähr 10 000 Anwälte, in ganz Österreich relativ gleichbleibend seit Jahrzehnten 3 500 –, dann führt das dazu, daß Anwälte, so wie in München, halt in der Nacht als Taxifahrer tätig sind.

Es ist in diesem Zusammenhang auch zu einem kuriosen Prozeß gekommen, der in Bremen in irgendeinem Sozialinstanzbereich geführt wurde und bei dem ein Anwalt erklärt hat, zur Ausübung seines Berufes gehöre ein Talar. Leider könne er sich keinen Talar kaufen, und es habe daher der Staat über die Fürsorgeeinrichtungen die Pflicht, ihm einen Talar anzuschaffen. – So weit wollen wir es ja wirklich nicht kommen lassen, denn der Anwalt, der nicht weiß, wovon er die Miete zahlen soll, ist ja käuflich und bestechlich in jeder Richtung! Wir wünschen uns einen auch wirtschaftlich unabhängigen und freien Anwaltsstand.

Dazu, warum wir wenig Freunde in der Regierung haben, warum vielleicht überhaupt kein Verständnis für die Freiberufler besteht, ein Beispiel: Die Wirtschaftstreuhänder müssen einen Teil ihres Arbeitsbereiches, auch ihres Kammerbereiches, nämlich des Bereiches der Wirtschaftstreuhänderkammer, an die Wirtschaftskammer abgeben, und zwar – in Form eines neu entstandenen Gewerbes – den Bereich der Buchhalter. Damit sie sich aber nicht allzu sehr darüber aufregen – sie haben das ohnehin gegenüber jedem von uns in zahlreichen Briefen getan –, nimmt man einem anderen Berufsstand, der damit überhaupt nichts zu tun hat, nämlich den Rechtsanwälten, einen Teil ihrer Vertretungsbefugnis vor den Höchstgerichten und auch im Insolvenzverfahren weg.

Das heißt, die Wirtschaftstreuhänder, ein freier Berufsstand, müssen etwas hergeben, und um sie halbwegs zu entschädigen, nimmt man den Rechtsanwälten, die in dieser Auseinandersetzung keine Rolle spielen und auch keine Rolle zu spielen haben, einen Teil ihrer Befugnis weg.

Das ist die Problematik, vor der wir stehen. Und das ist kein Einzelfall, sondern wir alle haben das hier in Form von Abstimmungen zu Gesetzesvorlagen bereits erlebt. Den freien Berufen nimmt man weg, was geht. Man gliedert sie, soweit man das schafft, in die Ingerenz der klassischen Kammern ein, der Wirtschaftskammer et cetera, die Vertretungsbefugnis auch in die Arbeiterkammer und in die Wirtschaftskammer. Wenn ich heute jemanden vor dem Arbeits- und Sozialgericht vertrete, dann steht oder sitzt mir in 90 Prozent der Fälle kein Freiberufler mehr, sondern ein Jurist der Arbeiterkammer oder ein Jurist der Wirtschaftskammer gegenüber.


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