Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 164. Sitzung / 30

Vereinbarung in der Präsidialkonferenz – von keiner Fraktion mehr als zwei Redner gemeldet werden.

Ich bitte nun jene Damen und Herren, die dem Antrag Schmidt, Petrovic auf Durchführung einer Debatte zustimmen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Ich stelle fest, daß dies einstimmig beschlossen ist.

Frau Abgeordnete Dr. Schmidt ist die erste Rednerin. Die Redezeit beträgt 5 Minuten. – Bitte.

10.01

Abgeordnete Mag. Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht mir bei dieser Debatte vor allem einmal darum, drei Dinge festzuhalten: Es gehört erstens zum Funktionieren einer Demokratie, daß Spielregeln eingehalten werden und daß alle nach gleichen Spielregeln spielen. Zweitens halte ich fest, daß die Politik in diesem Hause auf Zuruf des Boulevards passiert. "Kronen Zeitung" und "täglich Alles" schaffen an, Koalition und FPÖ erfüllen den Auftrag. Drittens stelle ich fest, daß diese Koalition, wenn sie nicht mehr weiterkann, zu planwirtschaftlichen Instrumenten aus den fünfziger Jahren greift, was besonders bemerkenswert ist für eine Partei, die sich gerne Wirtschaftspartei nennen würde.

Zu diesen drei Punkten möchte ich einige Anmerkungen machen. Was die Spielregeln betrifft: Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn man sich auf Spielregeln verlassen kann. Unter Menschen, für die das Wort auch etwas gilt, gehören zu den Spielregeln daher auch die ungeschriebenen. Es ist eine Spielregel, auf die man sich bislang – meistens jedenfalls – verlassen zu können glaubte, daß Tagesordnungen, die einvernehmlich erstellt werden, nur einvernehmlich geändert werden, daß Ausschüsse einvernehmlich festgesetzt oder einvernehmlich abgesetzt werden, daß zusätzliche Sitzungen, die gar nicht vereinbart waren, nur einvernehmlich vereinbart oder gar nicht angesetzt werden. Das waren bisher die Spielregeln.

Jetzt wird mir vielleicht Herr Kollege Khol oder Herr Kollege Kostelka entgegenhalten: Es gibt ja auch noch die Spielregeln der Geschäftsordnung, daß man mit einer Zweidrittelmehrheit alles ändern kann. Das weiß ich. Nur: Zu solchen Mitteln zu greifen, sie für ein Selbstverständnis zu nehmen, würde alles andere, was wir uns sonst als Spielregeln in der Präsidiale genommen haben, völlig erübrigen. Dann hören wir nämlich mit allem auf, dann habt ihr eure Zweidrittelmehrheit und gestaltet nach Belieben, je nachdem, ob wir vor einem Wahltag oder nach einem Wahltag stehen, je nachdem, ob die "Kronen Zeitung" oder "täglich Alles" etwas verlangt, eure Tagesordnung. Wenn das nicht so ist, dann müßte man sich doch darauf verlassen können, daß dieses Instrument der Zweidrittelmehrheit nur dann eingesetzt wird, wenn es wirklich eine Notsituation gibt.

Übrigens: In einer solchen Situation wird man wahrscheinlich alle Fraktionen dazu bringen können, wieder etwas einvernehmlich zu machen. Daher wäre das gar nicht notwendig.

Aber nun komme ich zu der Notsituation, wie die große Koalition sie sieht. Diese Notsituation besteht darin, daß die "Kronen Zeitung", daß "täglich Alles" Herrn Minister Farnleitner beziehungsweise die Koalition angreifen, weil die Benzinpreise gestiegen sind. Ich halte das auch für ein Übel. Ich glaube auch, daß die Bezinpreisgestaltung in Österreich falsch läuft, daß vor allem die Preise zu hoch sind. Wir werden auf all das dann in der Sachdebatte eingehen. Diese Situation aber wird als Alibi dafür herangezogen – weil wir in einem Wahljahr sind –, daß man um Mitternacht eine Sitzung des Wirtschaftsausschusses ansetzt, daß man eine zusätzliche Sitzung ansetzt, daß man unter Verzicht auf alle Auflagefristen eine Tagesordnung ändert, und das alles gegen den Willen von zwei von drei Oppositionsparteien. Das ist der Notstand, den Sie sehen. Ich sage: Das ist wieder Politik auf Zuruf!, und ich meine daher: Dies ist Politikversagen!

Es ist dies ein Politikversagen in mehrerlei Hinsicht. Diese Koalition hat versagt, eine Benzinpreisgestaltung zu ermöglichen, die der Bevölkerung zumutbar ist. Sie hat bisher versagt, und in letzter Sekunde zieht sie die Bremse eines planwirtschaftlichen Instrumentes auf Zuruf von "Kronen Zeitung" und "täglich Alles" und läßt sich dann auch noch berühmen. Das ist Politikversagen, weil Sie handlungsunfähig sind. Das ist Politikversagen, weil Sie sich über alles hinwegsetzen, was Mindeststandard an Fairneß in diesem Parlament ist. Das ist Politikversagen, das


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