Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 134

Wir meinen, ein Land, das von sich in Anspruch nimmt, solche Standards ernst zu nehmen, wäre sehr gut beraten, wenn es auch seinen eigenen, seinen inländischen Befund in einem Menschenrechtsbericht niederlegte und eben dem Parlament alle zwei Jahre vorlegte. Gäbe es so ein Instrument oder hätte es so ein Instrument schon gegeben und auch eine dafür geeignete Stelle, die so etwas zusammen mit unabhängigen Einrichtungen verfaßt, wären alle diese Dinge, die jetzt so unangenehm im Raum stehen, nämlich daß da irgendwann schon vor zwei Jahren, vor drei Jahren, vor eineinhalb Jahren oder wann auch immer schwere Menschenrechtsverletzungen behauptet worden sind – ich verweise noch einmal ganz bewußt auf den CPT-Bericht, in dem Österreich auch mit bestimmten Anschuldigungen konfrontiert wurde –, notwendigerweise in so einem österreichischen Menschenrechtsbericht abzuhandeln gewesen.

Wenn schon vor einem Dreivierteljahr zum Beispiel die hier vielzitierte Organisation "SOS-Mitmensch", in dem Fall aus Oberösterreich, die in der Schubhaftbetreuung wesentlich tätig ist, in einer Pressekonferenz vom 1. Oktober 1998 umfangreiche Dokumente über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vorgelegt hat, und zwar insbesondere über die Knebelung eines Schubhäftlings mittels Klebestreifen, dann hätte, so meine ich, die Tatsache, daß ein regelmäßiger Menschenrechtsbericht zu erstatten ist, dazu geführt, daß so eine Behauptung dort hätte evaluiert werden können und sich als falsch oder richtig erweisen hätte können.

Ich meine, wir müssen bei Fragen, wie sie heute behandelt worden sind, eines vermeiden: Wir müssen vermeiden, daß wir in die Situation geraten, daß Behauptungen einander gegenüberstehen und jede der beiden Seiten, die Behauptungen aufgestellt hat, sich ohne objektive Evaluierung und ohne objektive Überprüfung darauf versteift, daß ihre und nur ihre Behauptung die einzig richtige sein kann. Wir würden, wenn wir in Menschenrechtsfragen so vorgingen, einen ganz schweren Fehler machen und insbesondere dort das notwendige Vertrauen in öffentliche Einrichtungen, das notwendige und für einen Rechtsstaat unverzichtbare Vertrauen in die Integrität der Sicherheitsexekutive zum Beispiel weiter beschädigen. Ein notwendiges Element des Rechtsstaates ist das Vertrauen in die Integrität der Sicherheitsexekutive.

Dieses Vertrauen wird weiter erodieren, wir werden es weiter beschädigen, wenn dann, wenn Vorfälle ans Tageslicht kommen, die einfach unerträglich sind, nicht stringent, klar, zügig und eindeutig untersucht wird. Auch hat es sich die größere Zahl der Menschen, die in diesem Bereich arbeitet – wahrscheinlich sogar die überwiegende Zahl der Menschen, die dort arbeitet –, nicht verdient, daß sie dadurch, daß Unaufgeklärtes im Raum stehenbleibt, in die Geiselhaft derer gerät, die die Menschenrechte auf die leichte Schulter nehmen, tatenlos zusahen beziehungsweise nicht bemerkt haben wollen, daß Sitz an Sitz neben ihnen ein Mensch einen qualvollen Erstickungstod gestorben ist.

Ein in regelmäßigen Abständen zu veröffentlichender Menschenrechtsbericht könnte zum Beispiel Aspekte des Vollzugs von Fremdengesetzen beleuchten, den Fragen einer stringenten Anwendung der Drittlandsklausel, der Abschiebepraxis, der Interpretation von Asylgründen, des Einsatzes und der Verhältnismäßigkeit von Haft und auch Schubhaft nachgehen und sich der Frage der Minderheiten, Aspekten der Wahrung der Menschenrechte im Zusammenhang mit den von Ihnen eingeführten neuen Fahndungsmethoden Lauschangriff und Rasterfahndung, den Reformerfordernissen im strafgerichtlichen Vorverfahren, bei dem es, wie wir alle wissen, großen Reformbedarf gibt, widmen. Ich spreche häufig mit Experten, die der Meinung sind, wir müßten endlich den Status des 19. Jahrhunderts überwinden, wir hätten jedoch nicht die entsprechenden Tools hiefür. Die Frage der Weisungsfreiheit oder -gebundenheit von Staatsanwälten – all dies hat Einfluß auf die Verwirklichung von Menschenrechten. Die tatsächlichen Zustände in den Gefangenenhäusern – seien es die Gefangenenhäuser im Bereich der Justiz oder seien es die Gefangenenhäuser im Bereich der Polizei, der Polizeigewahrsam –, all das wären Dinge, die in einem regelmäßig vorzulegenden Menschenrechtsbericht thematisiert werden müßten. Wir halten daher einen solchen für unverzichtbar.

Ich meine, daß die Debatten des heutigen Nachmittags gerade vor dem Hintergrund der wechselseitigen Beteuerungen, daß man sich um Objektivität bemühen werde, eine gute Gelegenheit böten, dem zuständigen Ausschuß eine Frist zu setzen. Es sollte noch vor der Sommerpause über Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit eines alle zwei Jahre vorzulegenden Menschen


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