Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 37

10.18

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir von Landesverteidigung sprechen, wenn wir von Wehrpflicht sprechen, dann müssen wir auch vom Zivildienst sprechen, denn der Zivildienst ist ein Wehrersatzdienst, und ohne Zivildienst würden wir in unserer österreichischen Sozialpolitik traurig ausschauen.

Sie haben anscheinend vergessen oder wollen es noch immer nicht wissen, daß die Arbeit der Zivildiener in den Sozialeinrichtungen, im Rettungswesen, im Krankentransport, in der Altenhilfe, in der Behindertenhilfe, im Krankenhaus ein unverzichtbarer Dienst ist, der in unserer Gesellschaft von niemand anderem um diesen Hungerlohn übernommen wird. Er wird deswegen nicht übernommen und kann auch nicht übernommen werden, denn heute Menschen um 2 000 S im Monat 40 Stunden und mehr pro Woche arbeiten zu lassen, das ist wirklich ein Zustand, der sozialrechtlich nicht tragbar ist.

Ich freue mich darüber, daß wir über ein Freiwilligenheer sprechen, denn dann muß es auch den freiwilligen Zivildienst geben. Den freiwilligen Zivildienst kann es nur dann geben, wenn Sie diesen lukrativer gestalten, indem Sie den Männern, die Zivildienst leisten wollen, ein anständiges Gehalt zahlen (Beifall bei den Grünen), sie sozialversicherungsrechtlich und pensionsrechtlich absichern und auch eine Arbeitslosenversicherung zahlen. Da werden Sie mit 2 000 S oder 3 000 S im Monat nicht auskommen, sondern der Zivildiener muß mindestens 12 000 S netto plus Wohnkosten bekommen; erst dann werden Sie Menschen finden, die bereit sind, im Sozialbereich tätig zu sein.

Die Stimmen der ÖVP sagen aber etwas ganz anderes: Sie wollen den verpflichtenden Sozialdienst. Meine Damen und Herren von der ÖVP! So geht es nicht. Es ist verantwortungslos, wenn Sie glauben, die soziale Verantwortung dieser Bundesregierung abgeben zu können, indem Sie Menschen in den Sozialdienst pressen, obwohl Sie doch genau wissen, daß der Sozialdienst ein höchst professioneller Bereich ist, den nicht irgend jemand machen soll und kann. Auf die Freiwilligkeit und auf die Ehrenamtlichkeit – wer es machen will, wer es sich leisten kann, soll es tun – darf der Sozialbereich nicht aufgebaut werden.

Meine Damen und Herren! Sie alle, vor allem Sie, Herr Fasslabend, müssen jetzt ganz schnell Gespräche mit den Vertretern der Länder führen, denn es werden die Länder sein, die die freiwilligen Zivildiener brauchen. Es werden die Länder sein, die das Geld brauchen werden, damit sie freiwillige Zivildiener zu einem lukrativen Gehalt bekommen. Aber diese Diskussion wollen Sie anscheinend nicht führen, weil Sie, wie ich schon gesagt habe, anstelle des Bundesheeres die Zwangsverpflichtung zum Sozialdienst einführen wollen.

Sagen Sie das den Menschen, denn diese Verantwortungslosigkeit, die Sie hier vom Zaun brechen wollen, ist in einer Gesellschaft, wie wir sie in Österreich haben, unhaltbar und mit einer Sozialpolitik, wie wir sie in Österreich bräuchten, unvereinbar. Behinderte Menschen, alte Menschen und Menschen, die auf Zivildiener und Zivildiensteinrichtungen angewiesen sind, sind kein Spielball und keine Spielwiese der Gesellschaft. (Beifall bei den Grünen.)

Es muß professionelle Hilfe angeboten werden, und es geht nicht an, daß Menschen in den Sozialdienst gepreßt werden. Das ist die falsche Politik, die abzulehnen ist. Dazu gibt es keine Diskussion von uns, denn wir lassen uns nicht mit zwangsverordneten Personen im Sozialbereich über Wasser halten. Das geht ganz einfach nicht. (Beifall bei den Grünen.)

10.24

Präsident Dr. Heinz Fischer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Ich erkläre daher die Aktuelle Stunde für beendet.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen darf ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte schriftliche Mitteilung verweisen.


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