Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 188

Insofern ist der Hinweis, den Herr Abgeordneter Ofner in seinem Redebeitrag gegeben hat, interessant und wichtig. Denn er sagt: Es ist in der landläufigen Meinung durchaus nicht angesehen, wenn jemand desertiert ist. Ich glaube, daß es gerade in bezug auf die Wehrmacht – und jeder, der die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gesehen hat, wird dem einiges abgewinnen können – notwendig ist, daß genau diese landläufige Meinung auch damit konfrontiert wird. (Präsident Dr. Fischer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich unterstelle Abgeordnetem Ofner nicht, daß er hier eine andere Intention hat als das, was er gesagt hat, sondern mir geht es darum, klarzulegen, daß es genau deshalb, weil es diese landläufige Meinung gibt, sinnvoll ist, hier Überlegungen anzustellen, und das ... (Abg. Dr. Ofner: Fühlst du dich nicht betroffen?)

Was die Aufarbeitung betrifft, greife ich das zweite Argument auf, das auch Herr Abgeordneter Jung angeführt hat: Wer war im Nationalsozialismus an führender Stelle tätig, und wer war es in der Folge dann auch in der Zweiten Republik? – Auch das sind Ergebnisse, die durch solche Forschungsarbeiten herauskommen können. Deshalb verstehe ich die Ablehnung nicht.

Denn wenn das etwas ist, was hier am Rednerpult von Herrn Abgeordneten Ofner und von Herrn Abgeordneten Jung kritisiert wird, dann müßte man eigentlich dafür sein und sagen: Ja, wir wollen solche Darstellungen historischer Art haben, denn das ist etwas, womit sich auch diejenigen, die in der Zweiten Republik Politik machen wollen, und alle anderen auseinandersetzen sollen.

Daher ist das, was Herr Abgeordneter Jung hier gesagt hat, nicht das Gegenargument, sondern es ist das Pro-Argument für die Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Jeder von uns, der sich je mit der NS-Justiz in Österreich beschäftigt hat, wird zur Kenntnis nehmen müssen, daß man sich, wenn man Urteile liest oder Zitate aus diesen Urteilen liest, der Betroffenheit nicht entziehen kann und daß in Wirklichkeit schon das Wort "Justiz" für das, was damals geschehen ist, nach unserem Verständnis einfach nicht passend ist. Das war keine Justiz, wie wir sie gemeiniglich verstehen, sondern das war reine Willkür. Da hat in Wahrheit alles mit Todesurteilen geendet. Das sind Dinge, die man in diesem Land wohl auch auf den Tisch bringen sollte. Ich meine, daß das etwas sein kann, was mit diesem Antrag erreicht werden kann.

Deshalb bin ich sehr dafür, daß er im Hause angenommen wird, insbesondere auch deshalb, weil es nicht nur um die allgemeine Aufhebung von Urteilen, sondern auch um die individuelle und persönliche Rehabilitierung von einzelnen Verurteilten geht. (Abg. Scheibner: Kann aber jeder beantragen!) Das halten wir für sinnvoll, und deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag zustimmen.

Was die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Jung betreffend das Brechen der Bannmeile angeht, möchte ich feststellen: Auch ich habe den Herrn mit einem Plakat vor Tor 4 sitzen gesehen. Ich halte es da für gerechtfertigt, eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und der existierenden Bannmeile zu machen.

Herr Abgeordneter Jung! Wenn sich eine einzelne Person mit einem Plakat hinsetzt, dann kann man nicht Rechtsbruch konstatieren. Die Abwägung zwischen einer einzelnen, nicht aggressiven, sogar stumm – nicht einmal laut schreiend –, nur durch ein Plakat ihre Meinung äußernden Person und der Bannmeile halte ich für gerechtfertigt. Eine solche Abwägung pro Meinungsfreiheit zu treffen, ist sinnvoll. Ich hoffe, daß es in diesem Land auch so bleibt und nicht in eine andere Richtung umschlägt. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

21.03

Präsident Dr. Heinz Fischer: Herr Abgeordneter Barmüller, ich muß Sie da korrigieren. Das Thema "Bannmeile" ist selbstverständlich geprüft worden. Das Gesetz sieht vor, daß die Bestimmung über die Bannmeile nur ab einer bestimmten Personenzahl wirksam wird. Das muß man wissen. Daher bin ich froh darüber, diese Klarstellung vornehmen zu können. Selbstverständlich ist in diesem Fall gesetzeskonform vorgegangen worden.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite