Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 189

Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Stoisits. – Bitte.

21.04

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Öffentlichkeit des Protokolls ist etwas, was hier im Nationalrat wirklich eine wahre Tugend ist. Nicht nur die anwesenden Abgeordneten haben gehört, was speziell Kollege Jung jetzt gesagt hat, sondern jeder, der möchte, kann es nachlesen.

Von einer "Faschismusfalle" zu sprechen, in die man tappt, ist schon stark, wenn es darum geht, die jüngere österreichische Vergangenheit aufzuarbeiten, und wenn es darum geht, denjenigen, die die letzten Jahrzehnte eigentlich fast ausschließlich mit Schmähungen leben mußten, in gewisser Hinsicht die Hand zu reichen, indem der Nationalrat – und vier Parteien werden das aller Voraussicht nach, wie schon zuvor im Ausschuß, wieder beschließen – kurz vor der Jahrtausendwende einen Akt setzt, mit dem er sagt: Wir wollen, daß auf der einen Seite Historiker damit beschäftigt werden, Fakten aufzuarbeiten und zu sondieren, und auf der anderen Seite dem dann auch Konsequenzen folgen lassen. Denn das ist es, was der Entschließungsantrag zur Rehabilitierung der Wehrmachts-Deserteure aussagt.

30 000 Todesurteile wurden in der NS-Zeit gefällt – 30 000! 20 000 wurden vollstreckt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zahl wird noch eindrucksvoller – im negativen Sinn –, wenn man weiß, daß im Ersten Weltkrieg 48 Todesurteile mit derselben Begründung vollstreckt wurden.

Diese Todesurteile wurden vor allem wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung ausgesprochen und vollstreckt. Sie wurden als eine Maßnahme begriffen, die ein Akt der politischen Demonstration war. Das war in den wenigsten Fällen als Strafe gemeint.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist auch hier wesentlich, klarzustellen, daß es den Initiatoren – das wird Andreas Wabl in seiner Rede noch im Detail sagen – in erster Linie darum geht, daß diejenigen, die jahrzehntelang mit dem Makel, "Feiglinge", "Kameradenschweine", "Vaterlandsverräter" und ähnliches zu sein, leben mußten – und es leben nur noch ganz wenige –, diese späte Genugtuung bekommen. Wenn dann solche Worte fallen wie die soeben von Kollegen Jung hier gebrauchten, dann sprechen sie für sich.

Ich bin eigentlich sehr dankbar dafür, daß die Freiheitlichen hier ihr wahres Gesicht zeigen. Denn manchmal konnte man ja – vor allem durch den Abgang von Dr. Haider aus dem Hohen Haus – geradezu den Eindruck bekommen, hier kommt jetzt ein bißchen die jüngere, vernünftigere, aufgeschlossenere Gruppe (Abg. Dr. Mertel: Jung ist der Jung nicht!) – "jüngere" habe ich gesagt – zu Wort.

Meine Damen und Herren, dem ist überhaupt nicht so! Der Geist ist der alte geblieben. (Abg. Scheibner: Es ist gut, daß Sie ... nicht brauchen! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Der Geist, von dem diese Fraktion sich in diesen Momenten leiten läßt, spricht eine ganz deutliche Sprache. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vordergründig sind hier nur die Freiheitlichen in ihrer Argumentation, und zwar ausschließlich die Freiheitlichen! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.08

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Amon. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Jung: Nicht vergessen: Auch ein ÖVP-Abgeordneter ...!)

21.08

Abgeordneter Werner Amon (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Weil – wie meine Vorrednerin Abgeordnete Stoisits ausgeführt hat – das Desertieren nicht selten gleichbedeutend mit der Todesstrafe war, haben wir uns entschieden, anläßlich dieser Vorlage einen Entschließungsantrag vorzubereiten, der ein Fünfparteien


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