Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 65

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ihnen verweigern, sinnvolle Gespräche und Verhandlungen führen wollen. Sie können nicht erklären, wie Sie überhaupt mit Gerhard Schröder, mit Tony Blair, mit Jacques Chirac und vielen anderen Kontakt aufnehmen können. Niemand will mit Ihnen reden! Wie wollen Sie Österreich vertreten, wenn Ihnen niemand mehr zuhört? (Abg. Kiss: Dieselbe Rede wie gestern! Sie haben gestern dasselbe gesagt wie heute! Er hat die Rolle nur einmal gelernt, spielt sie aber öfter!)  – Das ist der erste Punkt. Und Sie sind bis heute nicht in der Lage, daraus einen einzigen Ausweg zu weisen.

Dann gibt es einen zweiten Punkt, und dieser zweite Punkt hat mit der Substanz der Regierungserklärung zu tun. Wenn man eine Regierungserklärung bespricht, dann ist es sehr wichtig, nicht nur darüber zu reden, was drinnen steht, sondern auch darüber, was sachlich nicht drinnen steht. Und ich habe nach einem Begriff in dieser Regierungserklärung gesucht, und der heißt Armut. (Abg. Dr. Khol: Der Bundeskanzler hat von Armut gesprochen!)

In Österreich gibt es laut Bericht des Sozialministeriums etwa eine Million Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Allein in der Bundeshauptstadt Wien gibt es 350 000 Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze leben! (Abg. Dr. Martin Graf: Weil die SPÖ seit 30 Jahren regiert!)  – Ja, da gibt es auch eine gewaltige Verantwortung der Sozialdemokratie, weil das nicht etwas ist, was in den letzten Tagen entstanden ist. Aber Armutsbekämpfung erwarte ich mir von jeder Bundesregierung, wenn das eine Million Menschen in der gesamten Republik und 350 000 in Wien betrifft, davon allein in Wien 40 000 Kinder, die an oder unter der Armutsgrenze leben. Aber im Regierungsprogramm hört man kein Wort davon. (Abg. Dr. Martin Graf: Deswegen wohnen Sie im Gemeindebau!)

Und jetzt sage ich als Gegenbeispiel, was sich sehr wohl darin findet und wofür es Geld gibt. Es fängt auch mit "A" an, aber es ist nicht die Armut, sondern es heißt "Abfangjäger" und "Luftraumüberwachung". Dafür gibt es Geld! Im Regierungsübereinkommen und in der heutigen Regierungserklärung wird klar gemacht, dass die Bundesregierung Mittel für neues Fluggerät zur Luftraumüberwachung zur Verfügung stellt. (Abg. Leikam: Herr Graf! Haben Sie noch die zweite Gemeindewohnung? – Abg. Dr. Martin Graf  – in Richtung des Abg. Leikam –: Fragen Sie den Edlinger! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen der SPÖ und den Freiheitlichen.) Wissen Sie, dass zwei Staffeln moderner Abfangjäger etwa 15 Milliarden Schilling kosten werden? Wie können Sie angesichts einer Million Menschen an oder unter der Armutsgrenze in einer Regierungserklärung verkünden, Sie haben 15 Milliarden Schilling für Abfangjäger übrig?! (Beifall bei den Grünen.) Wie geht das, und wie wollen Sie das den Menschen klar machen?!

Mein Vorschlag wäre: Nehmen Sie die Abfangjäger raus, und schreiben Sie die Armutsbekämpfung rein! Das wäre eine der schönsten Verbesserungen, die Sie an diesem Regierungsprogramm vornehmen könnten. Ich befürchte, Sie werden es nicht tun.

Jetzt zur Handlungsfähigkeit der Regierung. Herr Bundeskanzler, wir haben gestern eine Dringliche Anfrage an Sie gerichtet, detaillierte Fragen gestellt und darauf eine Serie ausweichender Antworten bekommen. Die Schlüsselfrage war: Warum haben Sie, um Bundeskanzler werden zu können, den jetzt entstandenen wirtschaftlichen und politischen Schaden so einfach in Kauf genommen?

Eine Antwort – das ist heute bereits diskutiert worden – darauf hätte lauten können: Um Gottes willen, wir haben nicht gewusst, was wir getan haben, wir sind von den Folgen völlig überrascht worden! – Das wäre ein Beweis für eine völlig gescheiterte Außenpolitik und Diplomatie und auch keine besonders gute Begründung dafür, warum ein Außenminister, der die bedrohlichste Entwicklung für Österreich seit 1945 verschlafen hat, unbedingt Bundeskanzler werden muss. Wenn er nicht einmal in der Lage war, rechtzeitig etwas gegen die drohenden Sanktionen zu unternehmen, warum soll er mit ähnlichem Verantwortungsgefühl und fachlich ähnlicher Qualifikation dann als Bundeskanzler die gesamte Bundesregierung, den gesamten Staat Österreich führen?


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite