Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 86

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Bei der Stromfrage (Abg. Gaugg: In Kärnten schon umgesetzt!) komme ich auch wieder zu dem Punkt: Sie sind nicht mehr die Partei der kleinen Männer und der kleinen Frauen. Mit dem, wie Sie das vorhaben, nämlich die Elektrizitätsabgabe nur für die Kleinverbraucher anzuheben, die Großindustrie auszunehmen, zu plafonieren, bedeutet das eine Steuerreform für Papierindustrielle wie unseren ehemaligen Nationalratspräsidenten. (Abg. Gaugg: Das ist ja nur die Halbwahrheit!) Nein, das ist keine Politik für die Schwächsten in dieser Gesellschaft! Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Ich glaube, das reicht. Ich meine, damit ist bewiesen: Die FPÖ war in so vielen Fragen angeblich auf Seiten des Volkes. Das ist sie nicht! Das ist sie dezidiert nicht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich komme jetzt noch zu weiteren Wendehälsen. (Abg. Dr. Martin Graf: Reden Sie einmal mit Joschka Fischer!) Es sitzt Herr Staatssekretär Morak im Moment leider nicht mehr auf dieser Regierungsbank. Ich kann Herrn Morak doch nicht wie ein weißes Blatt behandeln, sondern ich muss ihn an eine sehr klare Stellungnahme erinnern, die er im Jahre 1995 über seinen jetzt aktuellen Koalitionspartner getätigt hat. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

In Anlehnung an das Karl-Kraus-Zitat "Hinaus aus Wien mit dem Schuft!" hat Abgeordneter Morak damals "Raus mit dem Haider aus der Politik!" gefordert. (Abg. Reitsamer: Den hat er jetzt in seiner Regierung!) Sie nicken, und ich weiß nicht, wie Sie mit einer Partei leben können, die irgendwie Künstler verhindert, lebende Künstler denunziert und verhetzt, moderne Kunst abstempelt und nicht haben will. Ich glaube, dass Sie aus Sicht der Künstlerinnen und Künstler in Österreich nicht mehr einer der Ihren sind, nicht mehr ihre Interessen vertreten. Deswegen müssen auch Sie sich diesen Vorwurf "Wendehals" gefallen lassen.

Sie haben sich, ehe das Koalitionspapier da war, auch noch relativ klar zur Künstler-Sozialversicherung und zur Buchpreisbindung deklariert und gesagt, diese typischen sozialdemokratischen Punkte seien jetzt entfernt worden. (Abg. Dr. Brinek: Die Sozialdemokratie hat es ja nicht umsetzen können!) Das ist im Sinne eines lebenden Buchhandels, im Sinne einer lebendigen KünstlerInnenszene in Österreich nicht nachvollziehbar. (Abg. Kopf: Die Sozialversicherung steht aber drinnen!)  – Ja, Jörg Haider sagt, es steht jetzt wieder drinnen. Das ist absolut nicht glaubwürdig. Bis vor zehn Tagen hat es noch geheißen: Raus damit! (Abg. Kopf: Die Künstler-Sozialversicherung steht ja drinnen!) Ich weiß, dass es jetzt drinnen steht. Ich werde Sie an den Taten messen.

Herr Bundeskanzler Schüssel! Ich kann mich noch erinnern – oder eigentlich kann ich mich nicht erinnern, denn damals war ich noch viel zu jung, aber ich weiß es –, es hat einmal einen Bundeskanzler gegeben, der beim ersten Schriftstellerkongress einem jungen Künstler seine Ehrerbietung gezeigt hat, indem er sich verneigt hat. (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Kreisky!)  – Ja, das war Kreisky. Jetzt gibt es einen Bundeskanzler, der in der "ZiB 2" vor laufenden Kameras sagt: Die Künstler brauchen sich nicht zu fürchten. – Ich sage Ihnen ehrlich, was das bei mir hervorgerufen hat. Das war wie nach Tschernobyl, wenn irgendeine Fernsehansagerin vor den Kameras gesagt hat: Ich wiederhole: Es besteht kein Grund zur Panik! (Abg. Kopf: Wenn Ihnen jemand einredet, dass Sie sich fürchten müssen, muss man Ihnen das Gegenteil beweisen!)

Ich weiß nicht wirklich, was dieser Satz "Künstler brauchen sich nicht zu fürchten" bedeuten soll, aber das, was im Koalitionsabkommen steht, ist ein klares Bekenntnis in die Vergangenheit, direkt in die Vergangenheit – Volkskultur, Nationalstiftung für kulturelles Erbe –, und in der Gegenwart wird jetzt sichtlich ein schwarzes Loch produziert werden. Das hat für mich eine gefährliche Schlagseite.

Wenn ich heute Herrn Landeshauptmann Haider in Kärnten sagen höre, dass der Bachmann-Wettbewerb eine an sich totgelaufene, sterile Veranstaltung sei, die er nicht sehr schätzt (Abg. Dr. Mertel: Weil die Erben das jetzt verbieten wollen!), obwohl jeder, der in diesem Bereich ein bisschen Fachverstand hat, weiß, dass es die Literaturveranstaltung ist, die eine internationale Jury hat, dann bekommt diese gefährliche Schlagseite schon eine sehr deutliche Kontur.


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